540 Sechsundzwanzigstes Kapitel November 1878
Jahre unveröffentlicht geblieben war. Schon zwei Tage nachher
machte sie einer „Berichtigung“ Platz, in der es hieß: „Wir werden
darauf aufmerksam gemacht, daß dem Fürsten Bismarck bei dem
Bemühen, die Herausgabe dieser Tagebuchblätter zu hindern, das
Gesetz mit keiner Waffe zur Seite stand. Wenn der einzig gestattete
Weg der Vorstellung nicht fruchtete, so ist der Fürst in die Lage
versetzt, auf die Einsicht des Lesers zu rechnen, der ihres natür-
lichen Zusammenhangs beraubte Außerungen vor sich hat.“ Diese
„Berichtigung“ soll aus der Reichskanzlei gekommen sein. Wie viel
an ihr war, weiß man aus dem Obigen. Daß ich damals nicht
darauf antwortete und die wahre Lage der Dinge konstatierte, war
vielleicht nicht für alle selbstverständlich, aber der Fürst wußte, daß
es für mich so war.
Wenden wir uns zu den Urteilen der auswärtigen Presse, so
verstand sich wohl von selbst, daß das Buch in Frankreich keinen
Beifall fand, und daß dort der Held wie der Autor desselben der
Gegenstand erbitterter Angriffe war. An der Wahrheit des darin
Mitgeteilten zu zweifeln kam meines Wissens auch dort niemand in
den Sinn. „Das Buch ist durchdrungen von dem Geiste einer rauhen
Offenherzigkeit — schrieb u. a. das Mémorial Diplomatique —,
und die in ihm enthaltenen Gespräche und Urteile kleiden sich in
jene Form naiver Derbheit, die nicht zum Gebiete erdichtender Ein-
bildungskraft gehört.“
Mit dem größten Interesse wurde das Werk von den englischen
Zeitungen aufgenommen (die Times widmete ihm einen eignen
Leitartikel und brachte dann nicht weniger als sechs ihrer Riesen-
spalten kleinen Druckes mit Auszügen aus seinem Inhalte), und aus-
nehmend freundlich wurde es vom größten Teile der Hauptorgane
der amerikanischen Kritik besprochen. Die Newyorker Staatszeitung
sagte: „Das Buch ist ein litterarisches Ereignis, mit dem sich die
Kritik abzufinden hat. Diese hat kaum etwas damit zu schaffen;
denn wie auch ihr Urteil lauten mag, das Publikum wird darüber
hinwegsehen und wissen wollen, wie des Deutschen Reiches Kanzler
ißt, trinkt, schläft und arbeitet — vor allem aber, wie er urteilt.
Das wird sich auch nicht hinwegwitzeln lassen, so amüsant auch der
Stoff dafür ist. Was Moritz Busch geschrieben hat, damit hat er,
vom Wert oder Unwert abgesehen, ein Werk in die Welt gesetzt,