Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

544 Sechsundzwanzigstes Kapitel 24. Febr. 1879 
der nichts Großes neben sich sehen könnte. Humboldt — na, das 
ist richtig, den gebe ich preis, Heyse, Gagern u. s. w. Es ist nur 
gut, daß ich das gestrichen habe, was ich über Moltke sagte. Da 
wäre es noch schlimmer; denn wenn ein keckes Vorgehen gelingt, ist 
es ein gutes. — Und Sie sind auch schlecht weggekommen, ganz 
was ich Ihnen sagte.“ 
Ich: „Jawohl, sie haben mich ganz erschrecklich madig ge— 
macht: Kleingeist, indiskret, taktlos, langweilig, dann eine Lakaien— 
seele, ein Epikuräer. Es fehlte bloß, daß sie mir die Gewohnheit 
zuschieben, zum Frühstück immer ein paar kleine Kinder zu verzehren. 
Besonders die Judenpresse. Aber ich verachte dieses Zeug zu sehr, 
um mir etwas daraus zu machen.“ 
Er: „Nun ja, die Juden, die hat es verdrossen, daß Sie 
mich sagen lassen, sie wären keine Maler. Meyerheim ließ mich 
wissen, daß er kein Jude wäre, nicht einmal sein Großvater. Aber 
bitter und neidisch erscheine ich doch in dem Buche, und ich denke, 
daß ich es nicht bin. Ich weiß wohl, daß Sie das nicht gewollt 
haben. Wir beide wußten wohl die Ursache, weshalb ich oft ver- 
drießlich und bitter war, und ich wußte es noch mehr. Es waren 
so schändliche Dinge vorgekommen, daß ich gehen wollte — in Ver- 
sailles.“ 
Ich: „Dupanloup?“ 
Er: „Schlimmres noch. — Dann konnte das Ganze in der 
Form eines Tagebuchs nur fragmentarisch sein, und da mußte viel 
Vermittelndes wegbleiben.“ 
Ich: „Ich bedaure, daß das Buch auf manche den Eindruck 
macht, aber meine Absicht war nur, zu zeigen, wie der Graf Bismarck 
zu einer bestimmten Zeit, während des Krieges mit Frankreich, 
empfand, dachte und lebte. Es sollte keine Charakteristik sein, sondern 
eine Photographie von einer wichtigen Episode Ihres Lebens, soweit 
ich sehen konnte, ein Beitrag zur Geschichte. Und ich habe nicht 
bloß spöttische Urteile wiedergegeben, sondern auch anerkennende, 
und Züge mitgeteilt, die, wenn ich mich so ausdrücken darf, zeigen, 
daß Sie gutmütig sind und menschenfreundlich und namentlich ein 
Auge für das Menschenherz im kleinen Manne haben.“ 
Er: „Na, welche Züge wären das wohl?“ 
Ich: „Die Schildwache in Bar le Duc, die bayrischen Nach-
	        
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