Febr.—Mai 1879 Sechsundzwanzigstes Kapitel 555
und da kann man nicht sagen, daß er den besonders geschickt ein-
geleitet hat. Die Beziehungen zu Osterreich, ja selbst zu Rumänien
waren nicht mit Geschick gepflegt. Was hat er das halbe Jahr,
das er in Bukarest zubrachte, gethan? — Weiber, Harfenmädchen
haben ihn mehr in Anspruch genommen — den alten Gecken — als
die Geschäfte. Auch das Verhältnis zu Osterreich und Deutschland
wurde nicht mit Klarheit geordnet, während es doch die wichtigste
Aufgabe war, sich über die Stellung Osterreichs zu den russischen
Zielen volle Sicherheit zu verschaffen.“ Im weitern Laufe des Ge-
sprächs kam die Rede auf Schuwalow, und ich sagte, der werde von
vielen für den Nachfolger Gortschakows gehalten. Der Kanzler
antwortete: „Schuwalow ist ein gescheiter Mann, hat aber hier
gar keine Aussichten. Es sind zu viel Hofintriguen gegen ihn,
und der Kaiser Alexander will keinen bedeutenden Menschen neben
sich haben. Schuwalow wäre sonst sehr gut für den Frieden."
Die Unterredung hatte über eine halbe Stunde gewährt, und
der Fürst fuhr unmittelbar nach ihr aus — vermutlich zu einem
Gegenbesuche bei Lord Dufferin. Ich ging danach ins Auswärtige
Amt, wo mir Bucher die Akten mit dem Blowitzschen Timesartikel
zur Abschrift gab. Drei Tage darauf war der vom Chef gewünschte
Aufsatz, dem ich den Titel „Gortschakowsche Politik“ gab,
fertig, und am 6. März sandte ich ihn dem Fürsten in einer
Korrekturfahne zu und hatte die Freude, zu finden, daß von seinen
neun Seiten nur etwa siebzehn Zeilen gestrichen worden waren. Er
erschien dann in Nummer 11 der Grenzboten und ging aus diesen
auszugsweise in die gesamte europäische Presse über. Besonders
lebhaft diskutierten ihn die englischen und die russischen Journalisten,
von denen einige ihn wie ein Phänomen ersten Ranges in langen
Leitartikeln erörterten, sodaß anzunehmen ist, daß der Chef seinen
Zweck damit in befriedigender Weise erreichte.
Nachdem der erste Band der fünften Auflage des Buches
„Graf Bismarck und seine Leute“ gedruckt war, erschien im Mai 1879
die oben erwähnte französische Übersetzung des Werkes von Kapitän
Derosne, der zu dem über Madame Jessé Mitgeteilten einige Zusätze
gemacht hatte, die mit den Worten begannen: „Wir können mit
dem Tagebuche des Herrn Doktor Busch einige Notizen verbinden,
die Madame Jessé, die Besitzerin des Hauses, das Herr von Bismarck