558 Sechsundzwanzigstes Kapitel Mai 1879
Leute der Theorie, denen die Wirklichkeit nicht ans Herz gewachsen
ist, die ihr Wissen nicht aus ihr haben, sondern aus Büchern, sollten
nicht mehr allein die Macht haben und den Haupteinfluß in der
Gesetzgebung.“
Er machte darauf eine Bewegung, als ob ich entlassen sei.
Ich erhob mich, und er gab mir die Hand zum Abschiede, fragte
dann aber noch: „Wie geht es Ihnen überhaupt? Sie sehen etwas
schmal aus.“
Ich erwiderte: „Danke, Durchlaucht, mir geht es Gott sei
Dank ganz gut. Nur eins fehlt mir: Sie sollten von meiner Be—
reitwilligkeit, Ihnen zu dienen, mehr Gebrauch machen. Der Artikel
über Gortschakow z. B. hat seine Schuldigkeit in der Presse ziemlich
reichlich gethan.“
„Ja, ich weiß es,“ sagte er. „Aber ich habe jetzt so viel zu
arbeiten; mir fehlen ohnehin fünf, sechs Stunden zum Tage, um
fertig zu werden.“
„Und wie geht es mit Ihrer Gesundheit, Durchlaucht?“
„Nicht gut, es war besser, aber die viele Arbeit und der Ärger.
Ich werde bald wieder ausspannen müssen.“
Ich ging darauf zu Bucher hinüber, um mir Material zu dem
vom Chef gewünschten Aufsatze zu holen. Bucher erzählte mir bei
dieser Gelegenheit, von Bülow, der Staatssekretär, habe dem Fürsten
vorgeschlagen, „den Preßhahn“ als ersten Rat ins Auswärtige Amt
zu versetzen. „Bülow versteht als Mecklenburger nichts Ordent—
liches von preußischen Dingen, und so sollte der ihm helfen,“ sagte
Bucher. „Der Chef wollte auch. Aber Hahn hat die Sache in
der Stadt herum getragen und in die Zeitungen gebracht. Das
ist dem Fürsten berichtet worden, und da hat er gesagt: »Wer nicht
dicht halten kann, den kann ich bei uns nicht brauchen,« und so ist
die Anstellung unterblieben. Bülow aber erklärt sie nur für auf—
geschoben.“
Am Nachmittage, wo ich noch einmal zu Bucher ging, um
weiteres Material zu holen, sagte er vor meinem Weggehen: „Nun
möchte ich Sie um eins bitten. Es war die Rede davon, daß wieder
jemand für die Presse bei uns angestellt werden sollte. Inzwischen
sollte ich mich, wie er aus Friedrichsruh schrieb, der Sache an—
nehmen. Ich sagte aber zu Bülow, das ginge nicht; denn da müßte