9. März 1880 Sechsundzwanzigstes Kapitel 567
gebieterisch zu mahnen, anmaßend, zuletzt drohend.1 Ich konnte
mir das nur mit der Vermutung erklären, daß eine Verständigung
zwischen Wien und Petersburg entweder schon stattgefunden haben
werde oder im Werke sei. Die russische Reise Andrassys und ver-
schiedne andre Beobachtungen hatten diese Befürchtung nahe gelegt,
und so war ich im vorigen Sommer sehr in Angst. Frankreich
hätte sich wohl bald zu den beiden andern gefunden. Ob dann
aber England zu Deutschland gehalten hätte, war zweifelhaft, da
die nicht leicht Partei für eine Macht nehmen, die nicht als lber-
macht erscheint. So ging ich mit schwerem Herzen von Kissingen
nach Gastein, und als Andrassy kam, war ich sehr begierig, zu
hören, was er sagen würde.? Da erfuhr ich aber, daß nichts der-
art existierte. Es war keine Verständigung mit Rußland erfolgt,
und jetzt rückte ich mit meinen Gedanken heraus, und er war gleich
dabei, d. h. er war für das Bündnis, aber nicht für ein verfassungs-
mäßiges. Davon wollte er nichts wissen, auch nichts von der
Offentlichkeit, und es war am Ende auch gut, denn ihr Reichstag
hätte daran ohne Sachkunde herumgemäkelt und dies und jenes
anders gewollt. Die sind noch schlimmer als unfre.“
„Ja — sagte ich —, die Verfassungstreuen sind ärgere Advo-
katen als unfre Parlamentarier.“
„Da haben Sie ganz recht — versetzte er —, sonst war Andrassy
ganz mit mir einverstanden, und der Kaiser in Wien war fast noch
mehr dafür. Aber unfrer nicht. Der machte Einwendungen, ob-
wohl die Russen so perfid und unverschämt wie nur möglich ge-
wesen waren.s Auch gegen die Osterreicher, sodaß selbst der gewiß
russenfreundliche Erzherzog Albrecht später zu Andrassy sagte: Ich
freue mich jetzt über das Bündnis mit Deutschland; denn die Russen
sind doch gar zu unzuverlässige Intriganten. Ich habe damals wohl
tausend Seiten geschrieben, Tag und Nacht, und alles Mögliche
vorgestellt, gebeten und gebettelt, ohne etwas auszurichten. Und
doch hatte es Eile. Andrassy wollte abgehen. Er war müde wie
ich, und er konnte sichs gönnen, einmal auszuruhen und faul zu
1 Siehe die Korrespondenz Bismarcks mit König Ludwig von Bayern
G. u. E. II, 238 ff.
2 G. u. E. II, 237 ff.
* G. u. E. II, 246 ff.