Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

570 Sechsundzwanzigstes Kapitel 9. März 1880 
kommen mit Sachsen abgeschlossen wegen des Militärs und der 
Militärhoheit. Ich wußte davon gar nichts, bis die Sachsen sich 
darauf beriefen, und es zu spät war.1 Er hat uns auch in Frank- 
reich geschadet, 1871, wo es sich um die Vergütung für die dort 
bleibenden Truppen handelte, und uns wenigstens um sechzig Mil- 
lionen gebracht. — Und unfre Flotte, die uns so heillos viel Geld 
gekostet hat, die ist ganz untauglich, weil man nicht den rechten 
Mann an die Spitze gestellt hat. Ich dachte, sie sollte wenigstens 
der russischen gewachsen sein; das ist aber nicht der Fall, die russische 
ist besser. Er ist ein serviler Mensch und hat den Kaiser bei der 
Inspektion getäuscht. Da haben die Seeleute sich als stramme, exakte 
Infanteristen zeigen müssen, und so denkt der Kaiser, der Infanterist 
ist, alles ist gut. Aber im Reichstage lassen sie es ihm durchgehen, 
weil sie bei Hofe nicht anstoßen wollen, Orden und Titel haben 
wollen. Mit unfrer Presse ists auch so. So hat da z. B. der 
Pindter (Redakteur der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung) neulich 
um den Kommissionsratstitel gebeten. Nun, den kann er haben. 
Sie stellen ihr Blatt zur Verfügung, wenn die Regierung einmal 
davon Gebrauch machen will. Aber ich möchte doch lieber bloß 
Herr Pindter als Kommissionsrat Pindter heißen."“ 
Der Chef kam dann von Hohenlohe, „der es auch mit den 
Obenstehenden nicht verderben will,“ auf die Besetzung des Staats- 
sekretariats im Auswärtigen Amte zu sprechen und meinte, sie be- 
gegne großen Schwierigkeiten, weil die Vermögensverhältnisse der 
dafür in Aussicht Genommnen nicht derart wären, daß sie ihnen 
die Annahme der Stelle gestatteten. — — — 
Er hielt einen Augenblick inne, dann sagte er: „Nun, wenn 
Sie mir nicht noch etwas zu sagen oder zu fragen haben, so —“ 
Ich stand auf, dankte ihm, daß er mir die Freude gemacht 
hätte, ihn wieder einmal sehen zu können, und ging, wobei ich 
Philippsborn im ersten Vorzimmer begegnete. Ich machte nun 
nach dem ersten Hauptthema dieser Unterredung für Nr. 12 der 
Grenzboten einen Aufsatz: „Zur Geschichte des deutsch-öster- 
reichischen Bündnisses,“ der in der deutschen und in der aus- 
ländischen Presse soviel Aufsehen erregte wie der über die Gor- 
  
1 Siehe Band I, 177, Anm. 1.
	        
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