Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

572 Sechsundzwanzigstes Kapitel 10. März 1880 
vornehmen, reichen und unabhängigen Elemente der Bevölkerung 
vertreten zu sehen gewohnt ist, und von der man erwarten sollte, 
sie werde es unter allen Umständen für ihr Recht und ihre Pflicht 
halten, das, was sich in der Staatsverwaltung als unweise, un- 
praktisch, schlecht herausgestellt hat, rücksichtslos auch als solches zu 
bezeichnen und ohne Ansehen der Person in ihrer etwaigen Be- 
liebtheit in hohen Sphären auf eine Anderung zu dringen, hat 
in diesem Falle nicht geleistet, was man von ihr zu hoffen be- 
rechtigt war. Sie hat vielmehr die Gelegenheit, einem Systeme, 
das verderblich ist, ein Ende zu bereiten oder es doch zu erschüttern, 
nicht wahrgenommen. Sie erkannte an, daß der gegebne Bericht 
nicht genügend sei, um ihr tiefgehendes Mißtrauen zu beseitigen, ja 
um zu einem Urteil zu befähigen; aber sie verzichtete auf mehr. 
Kurz, ihr Angriff war matt und ohne Spitze, nicht viel mehr als 
Schein, und man meint vielleicht nicht ohne guten Grund, daß die 
Ursache solcher Mattheit und Schwäche hier wie bei einigen andern 
Rednern über diese Angelegenheit darin zu suchen sei, daß der be- 
treffende Minister in den soeben angedeuteten hohen Kreisen sich 
eines ungewöhnlichen Ansehens erfreue und gestützt werde, was 
wieder zum Teil damit in Verbindung gebracht wird, daß derselbe 
einen hohen freimaurerischen Grad bekleidet. 
„Natürlich referieren wir nur, ohne Bestimmtes zu wissen. Was 
wir dagegen durch den Augenschein wissen, ist das, daß der Be- 
treffende ein sehr dauerhafter Minister ist, wie er früher ein sehr 
dauerhafter Unterhändler bei gewissen militärischen Ubereinkünften war, 
deren Ergebnisse — wir denken an die Konvention, die nach dem 
Kriege von 1866 mit Sachsen, und an die, welche 1871 mit Frank- 
reich abgeschlossen wurde — den Interessen Preußens und Deutsch- 
lands keineswegs günstig waren, und deshalb diese Dauerhaftigkeit 
mehr verwunderlich als erklärlich erscheinen ließen. Jetzt steht es 
mit unfrer Kriegsflotte und ihrem obersten Verwalter ebenso. Sie 
hat uns viel, sehr viel schönes Geld gekostet, und was ist aus ihr 
unter dem Infanteristensysteme, unter dem sie sich in den letzten 
Jahren entwickelte, geworden? Wir könnten für jene Millionen er- 
warten, daß sie wenigstens der russischen gewachsen wäre. Aber 
Sachverständige leugnen das entschieden, und selbst dem Laien 
springen die libel, an denen sie unter diesem System laboriert und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.