22. März 1880 Sechsundzwanzigstes Kapitel 579
folger würde es viel klüger machen. Aber contenti estote, begnügt
euch mit euerm Kommißbrote.“
Als er dann wieder von Friedenthal und dessem intrigantem
Wesen sprach, sagte ich: „Da sind ja drei oder vier Juden im
Konzert: Friedenthal, Falk und Rickert. Das wird künftig wie in
England und Frankreich. — Beaconsfield und Gambetta mit dem
ganzen Judenschweif aus der Regierung von 1870. Auch Andrassy
soll jüdisches Blut in seinen Adern haben.“
„Nein — entgegnete er —, Zigeunerblut, sagt man, auch sieht
er so aus. — Rickert aber? —“ fuhr er fort. „Ist der auch einer
von unsern Leuten?“
Ich erwiderte: „Ich kenne ihn nicht, habe aber so gehört, und
er soll sogar ungetauft sein.“
„Das möchte ich doch sicher wissen — sagte er —, erkundigen
Sie sich doch.“
Ich versprachs. Er klingelte, ließ sich den Parlamentalmanach
bringen, schlug nach und fand, daß Rickert als evangelisch bezeichnet
war, vermißte aber den Geburtsort und überhaupt Näheres und
erklärte das für „verdächtig.“ Dann bemerkte er: „Friedenthal ist
sogar als nationaler Jude aufgetreten. Er leidets nicht, daß die
Post Lasker oder die Juden überhaupt angreift. Treitschke hat
ihnen gute Artikel geschrieben, die geistreichsten, die sie überhaupt
hatten. Aber als er Lasker angriff, kam Friedenthal, der Haupt-
aktionär ist, dazwischen und verbot ihnen das.“ Er sprach dann
noch einmal von seinem einstigen Rücktritte und äußerte: „Wie
schwer ist schon Bülow zu ersetzen! Die Herren sitzen in ihren be-
quemen Gesandtschaften und wollen nicht her in die viele Arbeit.
Hatzfeldt ginge, der ist gescheit und sonst brauchbar, hat aber nichts
Ordentliches und könnte in Versuchung kommen, sich mit Geldleuten
in Verbindung zu setzen. Man müßte ihm eine Dotation geben,
da würde sichs machen. Hohenlohe ist auch gescheit, aber er läßt
sich für andre Interessen satteln, auch aufsitzen. Mein ältester Sohn,
der sieben Jahre unter meiner Leitung arbeitet und sich gut anläßt —
das geht aber nicht, der ist erst dreißig Jahre alt."
Damit erhob er sich und reichte mir die Hand zum Abschiede.
Als ich ging, rief er mir noch nach: „Hübsch glatt und diplo-
matisch — ich meine beim Schreiben.“ Ich war fünfzig Minuten
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