Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

582 Sechsundzwanzigstes Kapitel 12. April 1880 
verwandt, nachdem die Ausschüsse bis zur Fragestellung über Ja 
oder Nein gediehen waren. Wenn dann die im betreffenden Aus— 
schusse nicht vertretnen oder dort in der Minorität gebliebnen Re— 
gierungen im Plenum ihre berechtigte Meinung zur Geltung bringen 
wollten, so war das ohne Verschleppung durch Instruktionseinholung 
oder Zurückverweisung an den Ausschuß nicht möglich, eine recht— 
zeitige Verständigung also nicht herbeizuführen. In den Ausschüssen 
liegt das Stimmenverhältnis anders als im Plenum. Wenn die 
Ausschußmajoritäten ihre Abstimmungen festlegen, so werden dadurch 
die unvertretenen Regierungen kaptiviert. Wenn dagegen die Vor— 
verhandlungen und die Diskussionen der Gegenstände aus den Aus— 
schüssen ins Plenum verlegt würden, so könnte jede Ansicht zur 
rechten Zeit zur Geltung kommen. 
„Wir müssen noch einmal sagen, was wir zu Anfang bemerkt 
haben (dieser Satz war von mir): Es hat sich bei der häufigen 
Abwesenheit des Kanzlers unter einem Teile der preußischen Be— 
amten ein Zustand herausgebildet, der an vollständige Disziplin— 
losigkeit grenzt, und wenn es wahr ist, daß der Fürst sich geäußert, 
daß es ihm ohne sofortige Stellung der Kabinettsfrage fast niemals 
gelinge, seiner berechtigten Autorität Gehör und Beachtung zu ver— 
schaffen, so ist auf diesem Gebiete Remedur gewiß ganz unent— 
behrlich, wenn nicht das Ansehen des Bundesrates und des Prä— 
sidiums in demselben unwiederbringlichen Schaden erleiden soll. Der 
Bundesrat kann keine freie Versammlung werden, die jeder Mini— 
sterialbeamte ohne Vollmacht betreten kann, um dort nach seinem 
Ermessen und Belieben seine persönliche Meinung über die oder 
jene Frage vorzutragen und geltend zu machen. 
„Wenn die königliche Ordre den Konflikt der Pflichten betont, 
in den der Reichskanzler durch die Reichsverfassung geraten kann, 
so wird diese Schwierigkeit doch kaum durch Änderung der letztern 
in einer allen Beteiligten annehmbaren Weise zu lösen sein, sondern 
nur durch staatsmännisch vorsichtige Ausübung der einem jeden durch 
die Verfassung zugeteilten Rechte. Es ist in dieser nicht gesagt, daß 
der Kanzler befugt sei, zur Ausführung eines Beschlusses des Bundes- 
rates seine Mitwirkung zu versagen. Wird aber angenommen, daß 
er zur Ausführung oder amtlichen Vollziehung und somit auch zur 
demnächstigen Vertretung jedes derartigen Beschlusses verpflichtet
	        
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