Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

12. April 1880 Sechsundzwanzigstes Kapitel 585 
zur Gewalt, haben sie für ihre Entschließungen einzustehen, so sind 
sie aus der Theorie, wenn sie ihr überhaupt im Ernste zugethan 
gewesen sind, herausgetreten in die Praxis, in die Welt der harten 
Thatsachen, und da geben nicht Velleitäten, sondern die Dinge 
draußen, die Verhältnisse den Ausschlag, Unmöglichkeiten, vor denen 
man einlenken oder umkehren muß.“ 
Er hatte mir aufmerksam zugehört und sagte, als ich fertig 
war: „Da haben Sie ganz Recht, das war eine sehr gute Be— 
merkung. Aber wenn die Engländer sich auch mit den Russen ver— 
ständigten und Italien hinzukäme, das mit den englischen Liberalen 
immer Liebesblicke ausgetauscht hat, so gäbe das immer noch keine 
große Gefahr, und für die Italiener könnte das schlimm ablaufen. 
Je mehr England sich Rußland nähert, desto weiter entfernt es 
sich von Frankreich. Es entstünde dann im Orient eine Kombination, 
die dortige französische Interessen bedrohte — vorzüglich am Mittel- 
meer —, die andre sind als die russischen und die englischen. Von 
Englands Verhältnis zu Italien gilt ähnliches. — Es könnte dann 
zu einer Verständigung Frankreichs mit Osterreich und uns kommen. 
Was wir dafür zu bieten hätten, ist mit Bestimmtheit noch nicht 
zu sagen. Elsaß-Lothringen würde es gewiß nicht sein, aber viel- 
leicht — etwas andres. Italien würde schlecht dabei fahren; denn 
hier können sich Osterreich und Frankreich leicht verständigen. Italien 
ist wie die Frau im Märchen vom Fischer, der den goldnen Fisch 
gefangen hat. Wie hieß sie gleich? — Ilsebill. Die nicht genug 
kriegen konnte. Die können wieder in ihrem Topfe wohnen müssen. 
Neapel und der Kirchenstaat können wieder hergestellt werden.“ 
Ich sagte: „Durchlaucht erwähnten vorhin gegen Tiedemann 
einer Denkschrift über die Ursachen der jetzigen Krisis, die dem 
Könige übergeben worden sei. Wie verhält sich denn der zu der 
Sache?“ 
„O, befriedigend,“ antwortete er. „Nur hat er die Denkschrift 
noch nicht gelesen, weil sie ihm zu lang ist. Da hat er sie bei— 
seite gelegt. Und nun kommt Wilmowski dazwischen, der sich ver- 
pflichtet und berechtigt fühlt, seinen Senf dazu zu geben und ihm 
zu raten — gegen mich; denn er ist liberal. Und so habe ich ihn 
mahnen lassen.“ Er stand auf und sagte noch einmal: „Die Flegelei 
von Stephan, der ganz disziplinlos ist. Das kommt aber davon,
	        
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