Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

11. Mai 1880 Sechsundzwanzigstes Kapitel 593 
erwiderte er, hätte neulich einmal am Halse gelitten, wäre aber jetzt 
wieder munter. Darauf erkundigte ich mich, wie es mit seiner eignen 
Gesundheit beschaffen sei, und ob er diesen Sommer wieder nach 
Gastein wolle. Er entgegnete, mit der Gesundheit ginge es, nur 
könnte er wieder nicht gut schlafen und fühlte sich matt. 
Er hatte unterdessen eine große Schachtel mit Papiercigaretten 
geholt, bot mir davon an und nahm selbst eine, bemerkte indes, sie 
schmeckten ihm nicht, und an der Pfeife finde er auch keinen rechten 
Gefallen mehr. Ebenso wollte das Ausreiten schon seit anderthalb 
Jahren nicht mehr gehen, da er davon Kreuzschmerzen bekäme. 
Wir tranken jeder zwei Glas Selterwasser mit Kognak. Ich 
fragte, ob er das Judenbuch bekommen hätte, das ich etwa acht 
Tage vorher dem Kanzleidiener für ihn übergeben hätte. 
„Welches?“ 
„Jorael und die Gojim.“ 
„Nein.“ 
„Ich übergab es mit einem Briefe, worin gesagt war, daß es 
von mir sei, und daß ein Blick auf das Vorwort Durchlaucht viel- 
leicht bewegen würde, sichs in Varzin oder Friedrichsruh genauer 
anzusehen." 
Er erinnerte sich des Briefes, suchte nach dem Buche auf dem 
Schreibtisch und dem Regale daneben und meinte zuletzt: „Wahr- 
scheinlich habe ich es mit hinaufgenommen, um im Bette darin zu 
lesen, oder Tiedemann hat sichs geholt.“ 
Ich brachte das Gespräch auf Lenbach und bemerkte, das Bild, 
das den Chef in Profil und etwas nach oben blickend darstelle, sei 
nach meinem Gefühle das beste, von dem ich wüßte. 
Er versetzte: „Er hat eine ganze Menge gemacht. Das aber, 
das Sie meinen, ist entstanden, als ich nach einem Fluge Vögel 
aufblickte, in Friedrichsruh. Halt — sagte er da —, das ist gut, 
stehen Sie still. Das wollen wir gleich skizzieren.““ 
Ich erwähnte dann die Photographie des andern Porträts, wo 
er so kraus emporgesträubte Augenbrauen und einen romantisch ge- 
kräufelten Schnurrbart hat, und bemerkte, daß mir das nicht recht 
gefiele, da es von der Wahrheit abweiche. 
„Ach nein — erwiderte er —, es ist Natur, es wächst bei mir 
o, bis ich es mit der Papierschere verstutze.“ 
Busch, Tagebuchblätter II 38
	        
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