Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

16. Januar Siebzehntes Kapitel 49 
telegraphiert. — Treitschke schreibt mir und bittet mich, den Chef 
zu fragen, ob er sich bei seiner Schwerhörigkeit in den Reichstag 
wählen lassen solle. Lege den Brief dem Minister vor, und dieser 
sagt: „Ob er durch sein Übel zu sehr im Verkehr gehindert wird, 
muß er aus Erfahrung wissen. Dagegen wäre es mir außerordentlich 
erwünscht, wenn er gewählt würde. Schreiben Sie ihm das. Nur 
soll er nicht zu viel sprechen.“¼ — Noch im Lauf des Vormittags 
ein Telegramm abgesandt, das die Einnahme des Lagers von Conlie 
und den erfolgreichen Widerstand meldet, den General von Werder 
südlich von Belfort der ungeheuern Übermacht von vier französischen 
Korps geleistet hat. 2 
Beim Diner sind Fürst Pleß und Maltzahn als Gäste zugegen. 
Man erfährt da, daß die Proklamation an das deutsche Volk über- 
morgen beim Ordensfeste, das im Spiegelsaale des hiesigen 
Schlosses stattfinden wird, verlesen werden soll. Der König wird 
in glänzender Versammlung dort zum Kaiser ausgerufen werden. 
Truppendeputationen mit Fahnen, die Generalität, der Bundes- 
kanzler und eine Anzahl Fürstlichkeiten werden dabei sein. Man 
hört ferner, daß der Chef seine Meinung in betreff der Heraus- 
lassung Favres aus Paris geändert und ihm einen Brief geschrieben 
hat, der auf eine Ablehnung hinausläuft. 
Der Kanzler bemerkt: „Favre kommt mir mit seinem Verlangen, 
nach London zur Konferenz gehen zu dürfen, wie die Kinder im 
Spiel Fuchs ins Loch vor. Die schlagen zu und machen dann, daß 
sie fortkommen, nach einem Ort, wo man ihnen nichts anhaben 
kann. Er muß die Suppe aber mit aussessen, die er eingebrockt 
hat. Das forderte seine Ehre, habe ich ihm geschrieben.“ — Es 
wäre möglich, daß diese Sinnesänderung durch einen in der Nord- 
deutschen Allgemeinen Zeitung abgedruckten, von mir für ihn an- 
gestrichnen Artikel des Siècle, der Gambettas Ansichten vertritt, 
veranlaßt worden worden wäre, wo es hieß, die Durchlassung 
Favres nach London würde eine Anerkennung der jetzigen fran- 
  
1! Treitschke wurde für den Wahlkreis Kreuznach in den ersten deutschen 
Reichstag gewählt. 
? 15., 16. und 17. Januar an der Lisaine. Das Lager von Conlic wurde 
am 14. Januar besetzt. 
Busch, Tagebuchblätter II 4
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.