Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

52 Siebzehntes Kapitel 16. Januar 
Bernstorff einen andern Weg angeraten, sie Ihnen zukommen zu 
lassen. — Ich hoffe, daß Ew. Exzellenz mir erlauben werden, diese 
Gelegenheit zu ergreifen, um Ihnen meine Befriedigung auszu— 
drücken, zu Ihnen in persönliche Beziehung zu treten“ u. s. w. 
Favre sah in dieser Zuschrift eine Anerkennung der jetzigen 
französischen Regierung und eine Einladung, die er benutzen könne, 
um in London vor den Mächten das Wort in Frankreichs An— 
gelegenheiten zu ergreifen. In dem Rundschreiben, das er am 
12. Januar an die französischen Gesandten erließ, sagte er: 
„Durch diese Depesche direkt aufgefordert, konnte die Regierung, 
ohne dem Rechte Frankreichs zu entsagen, die Einladung nicht 
zurückweisen, die sie in seinem Namen erhielt. Nun kann man 
ohne Zweifel dagegen geltend machen, daß die Stunde zu einer 
solchen Erörterung der Neutralisation des Schwarzen Meeres nicht 
glücklich gewählt ist. Aber gerade dadurch, daß in dieser Ent- 
scheidungsstunde, wo Frankreich allein für seine Ehre und Existenz 
kämpft, dieser offizielle Schritt der europäischen Mächte bei der 
französischen Republik gethan wird, erhält er einen ausnehmenden 
Ernst. Es ist ein verspäteter Anfang, Gerechtigkeit zu üben, eine 
Verpflichtung, von der man sich nicht mehr lossagen kann. Er 
heiligt mit der Autorität des Völkerrechts den Regierungs- 
wechsel und läßt auf der Szene, wo es sich um die Geschicke der 
Welt handelt, die trotz ihrer Wunden freie Nation erscheinen an- 
gesichts des Oberhauptes, das sie zum Untergange geführt hat, 
und der Prätendenten, die über sie verfügen wollen. Wer fühlt 
übrigens nicht, daß Frankreich, zugelassen zu den Vertretern Europas, 
das unbestreitbare Recht erhält, vor ihnen seine Stimme zu er- 
heben? Wer wird es hindern können, wenn es sich auf die ewigen 
Regeln der Gerechtigkeit stützend, die Grundsätze verteidigen wird, 
die seine Unabhängigkeit und seine Würde sicher stellen? Es wird 
keinen davon aufgeben. Unser Programm bleibt unverändert das- 
selbe, und Europa, das den einladet, der es aufgestellt hat, weiß 
sehr wohl, daß er den Willen und die Pflicht hat, es aufrecht zu 
erhalten. Man durfte daher nicht zaudern, und die Regierung hätte 
einen schweren Fehler begangen, wenn sie die ihr gemachte Er- 
öffnung zurückgewiesen hätte. 
„Indem sie dies anerkannte, dachte sie doch, wie ich, daß der
	        
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