64 Siebzehntes Kapitel 19. Januar
Dörfer des Flußthales scheint ein Haus zu brennen. Als das
Feuern aufhören will, kehren wir um. 1
In Versailles muß die Sache inzwischen Bedenken erregt haben;
denn als wir durch die Stadt gehen, sehen wir, daß Bayern ein-
gerückt sind, die man sonst hier nur einzeln zu sehen bekommt. Sie
stehen auf der Place d'’'Armes und der Avenue de Paris in dichten
Massen, sagt man uns. Die Franzosen aber lagern, wohl sechzig-
tausend Mann stark, heißt es, unterm Mont Valérien und auf den
Feldern östlich von da. Sie sollen die Montretoutschanze genommen
haben, und ebenso befänden sich das Dorf Garches, nicht viel weiter
als drei Viertelstunden von hier, und der westliche Teil von Saint
Cloud in ihren Händen. Man hätte zu befürchten, daß sie morgen
weiter vordringen und uns zur Räumung von Versailles nötigen
könnten. Wohl nicht richtig, wenigstens übertrieben.
Die Gespräche bei Tische schienen diese Vermutung zu be-
stätigen. Man redete kaum noch, als ob noch Gefahr vorhanden
wäre. Wir hatten den Geheimrat von Löper zum Gaste, Unter-
staatssekretär im Hausministerium.? Zuerst war davon die Rede,
daß die Gefahr, die unsern Verbindungen mit Deutschland vom
Südosten her drohte, verschwunden ist, indem General Bourbaki,
der Werder drei Tage lang hart bedrängt hat, ohne ihn werfen zu
können, (vermutlich auf die Nachricht vom Heranrücken Manteuffels)
den Versuch, Belfort zu entsetzen, aufgegeben hat und in vollem
Rückzuge begriffen ist. Der Chef gedachte dann eines Berichts,
wonach die Steuern bei verschiednen Gemeinden in den von uns
besetzten Teilen Frankreichs nicht eingehen wollten, und sagte, es
sei schwer, ja unmöglich, überall Garnisonen hinzulegen, die die
Bevölkerung zur Entrichtung der Steuer nötigten. Dann fuhr er
fort: „Das ist aber auch gar nicht erforderlich. Das läßt sich
mit fliegenden Kolonnen machen, mit Infanterie, der man etwas
1 Abeken 485. Die Stärke der Pariser betrug übrigens gegen 100000
Mann.
2 Löper, der bekannte Goetheforscher, war mit dem Hausminister Freiherrn
von Schleinitz nach Versailles gerufen worden, um Etiketten-, Titel und Wappen-
fragen für das neue Kaisertum lösen zu helfen. Abeken 483 vom 17. abends.
Schleinitz wurde auf Veranlassung des Kronprinzen berufen, Tagebuch vom
12. und 13. Januar, vgl. Schneider III, 152.