Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

21. Januar Siebzehntes Kapitel 67 
sofort darauf bezügliche Weisung an Bamberg, der die Briefe in- 
zwischen durch das Büreau erhalten haben muß. 
Beim Thee erzählte Wagener verschiedne Anekdoten aus dem 
Jahre 1848. Er hatte mit dem famosen Lindenmüller das Ab- 
kommen getroffen, wenn die konservative Partei die Oberhand be- 
hielte, wollte er, wenn die Müllersche siegte, sollte dieser dafür 
Sorge tragen, daß der gegnerische Teil nicht gehenkt würde. „Als 
nun unfre Leute Oberwasser bekamen — fuhr er fort —, ging ich zum 
Polizeipräsidenten und bat ihn, mir zu gestatten, daß ich Müllern 
die Haft etwas erleichtern könnte, und dann schickte ich ihm, an 
jenen Pakt erinnernd, vorläufig ein Dutzend Flaschen Wein und 
sechs Spickgänse.“ 
Eine andre Geschichte war folgende: „Als Held, der damals 
in Berlin eine Hauptrolle spielte und bei den untern Klassen in 
großem Ansehen stand, einmal eine Volksversammlung gehalten hatte, 
ließen wir einen Zettel drucken und an die Ecken anschlagen, auf 
dem es ungefähr hieß: Held, der Vater des Volkes, hat gestern 
bei der Versammlung da und da für das leidende Volk gesammelt, 
und es ist die erhebliche Summe von 1193 Thalern, soundsoviel 
Silbergroschen und soundsoviel Pfennigen eingegangen. Die Be- 
dürftigen mögen sich deshalb bei ihm in seiner Wohnung, Straße 
soundso, Nummer soundso melden und ihren Anteil in Empfang 
nehmen. — Er hatte natürlich nichts eingenommen. Aber wir hatten 
das Vergnügen, ihm eine Menge Leute über den Hals zu bringen, 
die das nicht glauben wollten." 
21. Januar, Sonnabend. Früh dicker Nebel. Es wird 
nicht geschossen. Um halb zehn Uhr kommt der Moniteur an 
und — enthält den Brief des Chefs an Favre! Schlimm, aber 
mein Schreiben an Bamberg wird erst nach Druck der Nummer 
eingetroffen sein. Um zehn Uhr wurde ich zum Minister geholt, 
der indes nichts über das Unglück sagte, obwohl er das Blatt vor 
sich hatte. Er lag noch im Bette und wollte den Protest des Grafen 
Chambord gegen das Bombardement für den König ausgeschnitten 
haben. Ich machte dann einen Artikel für die Kölnische Zeitung 
und ein Entrefilet für das hiesige Blatt. 
Abends waren beim Diner Voigts-Rhetz, Fürst Putbus und 
der bayrische Graf Berchem Gäste des Kanzlers. Der Bayer hat 
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