72 Siebzehntes Kapitel 23. Januar
Bohlen meinte dann, Favre habe „xrecht ruppig“ ausgesehen.
Der Chef erwiderte: „Ich finde, daß er viel grauer geworden
ist als in Ferrières — auch dicker, vermutlich von Pferdefleisch.
Sonst aber sieht er aus, wie einer, der in der letzten Zeit viel
Verdruß und Aufregung erlebt hat, und dem jetzt alles Worscht ist.
Übrigens war er sehr aufrichtig und gestand zu, daß es schlecht
gehe, drinnen. Auch erfuhr ich von ihm, daß Trochu beseitigt ist.
Vinoy kommandiert jetzt in der Stadt.“
Bohlen erzählte dann, daß Martinez del Rio äußerst zurück—
haltend gewesen sei. Sie hätten ihn auch nicht auszufragen versucht,
aber einmal hätten sie sich doch erkundigt, wie es wohl mit Roth—
schilds Villa in Boulogne stehe, wo sich, wie Thiers gesagt, der
Generalstab der Pariser Armee einquartiert hat. Da hätte er ganz
kurz entgegnet, das wisse er nicht. Sonst hätten sie sich unartiger—
weise mit ihm nur über gute Pariser Restaurants unterhalten.
Hatzfeldt berichtete, als er von der Begleitung der beiden Pariser
zurückkehrte, Favre sei froh gewesen, daß er erst in der Dunkelheit
angekommen sei, und wolle morgen bei Tage nicht ausgehen, um
nicht Aufsehen zu erregen und von den Versaillern behelligt zu werden.
Ehe der Kanzler sich in seine Stube hinaufbegab, fragte er
noch, ob jemand im Büreau zurückgeblieben wäre, der deutlich
schreibe; der solle mit ihm hinaufkommen. Willisch war da und ging
mit ihm hinauf.
Nachzutragen: Am heutigen Nachmittag war ich in der Salle de
Jeu de Paume, dem berühmten „Ballhaus“ von 1789, das auf
einer kleinen, schmalen nach ihm benannten Gasse nicht weit von der
Place d'Armes und dem obern Ende der Avenue de Scearx liegt.
Ich hatte mir, wenn ich in deutschen Schriften über die Revolution
gelesen hatte, eine andre Vorstellung von ihm gemacht, es für ein
stattliches Haus mit einem großen prächtigen Saale für Bälle und
Konzerte gehalten. Jetzt sah ich, daß dies ein Irrtum war. Es
trat er noch einen Augenblick beim Flügeladjutanten Grafen Lehndorff ein, bei
welchem noch mehrere Offiziere versammelt waren, sagte aber kein Wort, sondern
pfiff nur die Melodie der Hallali-Jagdfanfare und ging dann wieder hinaus.“
Unmittelbar nachher teilte Fürst Putbus, der dabei gewesen war, dem Grafen
Frankenberg den Auftritt mit, doch hat nach ihm B. einige Worte dazugesetzt.
Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier III, 253.