24. Januar Siebzehntes Kapitel 73
ist ein ganz unansehnliches Gebäude, und der Saal, in dem man
nicht tanzt, sondern Ball schlägt, ist weder elegant noch geräumig.
Man steigt zu der Thür außen auf einigen schmalen Stufen hinauf.
Die Frau des Portiers führte mich nach dem Saale, der sehr einfach
und ohne irgendwelche Verzierungen ist. Er hat etwa vierzig Schritt
Länge und zwanzig Schritt Breite. Die Höhe mag dreißig Fuß
betragen. Unten besteht die Wand aus Mauerwerk, das schwarz
angestrichen ist, oben aus Bretterwerk. Auch die Decke ist von
Holz. In der Bretterbekleidung befinden sich große und kleine Fenster,
die vor dem Anprall der Bälle mit Drahtgittern geschützt sind. Unten
läuft um die der Gasse zugekehrte Langseite des Saales und die beiden
schmalen Seiten ein bedeckter Holzgang, dessen Fenster ebenfalls mit
Drahtgittern versehen sind. In die Wand der vierten Seite ist etwas
über Mannshöhe eine viereckige kupferne Tafel eingelassen, die den
Schwur vom 20. Juni 1789 enthält und 1790 durch eine Gesell-
schaft „Patrioten“ hier angebracht worden ist. Sonst erinnert nichts
an das, was hier geschehen ist. Als ich mir die historische Stätte
betrachtete, war in dem Brettergange im Saale Wäsche zum Trocknen
aufgehangen, und auf dem Fußboden in der Mitte lagen Kraut-
blätter umhergestreut — vielleicht trieb der Portier da, wo Mirabeau
gedonnert hat, eine gemütliche Kaninchenzucht — doch erinnerte auch
ein Lederball und ein Instrument zum Ballschlagen an die eigent-
liche Bestimmung des Raumes.
24. Januar, Dienstag. Der Tag trüb und neblig.
Der Chef ist schon vor neun Uhr aufgestanden und hat mit
Abeken gearbeitet. Kurz vor zehn Uhr fährt er zum König — oder
sagen wir jetzt zum Kaiser. 1 Erst gegen ein Uhr kommt er, während
wir noch beim Frühstück sitzen, zurück. Er ißt ein Stück gebratnen
Schinken, trinkt ein Glas Tivolibier dazu, seufzt und sagt: „Bisher
habe ich immer gedacht, die parlamentarische Behandlung von Staats-
angelegenheiten wäre die langsamste. Jetzt denke ich nicht mehr so.
Dort giebts doch noch die Rettung mit dem Schlußantrage. Hier
aber bringt jeder vor, was er gerade denkt, und wenn man sich
1 Abeken 489 f. Dieser Konferenz, in der Favres Anerbietungen besprochen
wurden, wohnten auch der Kronprinz, Moltke und Roon bei. Kaiser Friedrichs
Tagebuch vom 24. Januar.