Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Gründe für die Versagung der Entlassung. § 22. 129 
sichtigten Auswanderung nach einem außerdeutschen Staate der bezügliche An- 
trag öffentlich bekanntgemacht werden müsse und daß die Erteilung der Ent- 
lassungsurkunde oder der Auswanderungserlaubnis erst nach Ablauf einer ge- 
wissen, meistens zwischen vier und sechs Wochen variierenden Frist erfolgen 
dürfe, hinfällig geworden. 
Auch ist die zur Erteilung der Entlassung befugte höhere Verwaltungs- 
behörde nicht berechtigt, die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit bis zur 
Berichtigung etwaiger Steuerrückstände zu verweigern (s. Entscheidung des 
kgl. preuß. Oberverwaltungsgerichts vom 14. Sept. 1887, Anhang, Anl. Nr. 40; 
OVG. 15, 405). 
Ob es ratsam sein dürfte, eine Beschlagnahme von Entlassungsurkunden 
als prozeßrechtliche Sicherungsmaßregel überhaupt zu verfügen (vgl. die er- 
wähnte Entscheidung, auch OVG. 35, 407), erscheint mir schon um deswillen 
zweifelhaft, weil eine erkennende Behörde vermeiden muß, eine Verfügung 
zu treffen, die in Wirklichkeit einem Schlag ins Wasser gleichkommt. 
Die Auswanderung ist frei. Kein Deutscher bedarf, um auszuwandern, 
der Entlassungsurkunde. Wehr- und Militärpflichtige oder noch nicht aus dem 
Dienst entlassene unmittelbare oder mittelbare Staatsbeamte bekommen die 
Entlassungsurkunde überhaupt nicht (§ 22 Abs. 1 d. G.). Ist aber ein Deutscher 
seinen Verpflichtungen gegen den Staat nachgekommen und wandert er aus, 
um vielleicht in einem anderen Staate die Staatsangehörigkeit zu erwerben, 
so kann ihm nur geraten werden, wie es auch in der Verfügung des preuß. 
Min. d. J. vom 20. Nov. 1904 (s. zu § 17 d. G. Anm. 2) geschehen ist, die Ent- 
lassung nicht nachzusuchen. Denn wie anderweit ausgeführt worden ist, bedeutet 
für den entlassenen Deutschen die Zwischenzeit von der Niederlassung bis zur 
Erwerbung der fremden Staatsangehörigkeit ein Stadium der Schutz= und 
Staatlosigkeit. 
Wird nun der Fall angenommen, daß einem Deutschen die Entlassung be- 
willigt, die Urkunde aber ihm noch nicht ausgehändigt worden ist, so würde eine 
Behörde, die wegen prozeßrechtlicher Maßnahmen die Aushändigung der Ent- 
lassungsurkunde verhindert, dem Entlassenen dadurch nicht schaden, sondern ihm 
im Gegenteil nützen, und dies dürfte doch nicht in der Absicht der erkennenden 
Behörde liegen. 
Im übrigen dürften die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts auf 
das neue Gesetz nicht anwendbar sein, da dasselbe in § 23 Abs. 1 Satz 2 aus- 
drücklich die Fälle erwähnt, in welchen die Aushändigung der Entlassungs- 
urkunde verweigert werden kann, unter diesen aber die Fälle der Steuerrück- 
stände und der Beschlagnahme als prozeßrechtlicher Sicherungsmaßregel nicht 
aufgeführt sind. 
Wegen des Rekurses bei Verweigerung der Entlassung vgl. § 40 d. G., 
wegen der Kosten der Entlassung § 38 d. G. 
15. Anordnungen. 
Bei eintretender allgemeiner Mobilmachung haben alle im Auslande 
befindlichen Personen des Beurlaubtenstandes sich unverzüglich in das Inland 
Cahn, Staatsangehörigkeitsgesetz. 4. Aufl. 9 
#s# 22.
	        
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