Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 44 Die Pflichten und Rechtsbeschränkungen der Staatsbeamten. 101 
Dekrets 1). Abweichungen von dieser normalen Form ergeben sich unter Umständen aus der 
Art des zu begründenden Dienstverhältnisses, sie kommen namentlich dann vor, wenn es sich 
um Staatsstellungen handelt, für welche kein bestimmt vorgeschriebener Studiengang, keine 
staatliche Prüfung, keine genaue Festsetzung der Gehaltsverhältnisse oder keine scharfe Ab- 
grenzung der Dienstpflichten usw. besteht (so z. B. für Minister, für in Staatsdienst tretende 
Künstler, für Hochschullehrer, Fabrikinspektoren), oder wenn ein Übergang von einer be- 
stimmten Beamtenkategorie (z. B. derjenigen der Richter) in eine andere (z. B. die der Ver- 
waltungsbeamten) stattfinden soll. 
Die Anstellung geschieht entweder (so bei den Beamten des höheren Staatsdienstes) 
durch den Großherzog oder durch die hiermit betrauten Behörden, insbesondere die Ministerien; 
sie sieht zuweilen die Zustimmung oder Anhörung bestimmter Körperschaften (z. B. Handels- 
kammer) voraus. Hinsichtlich der Anstellung ist die Regierung insofern frei, als jede rechtliche 
Anwartschaft auf die Verleihung von Staatsämtern verfassungsmäßig ausgeschlossen ist (HV. 36 
und 48) 2). Eine gewisse Bindung der Regierung besteht jedoch insoweit, als sie Staatsämter, 
für welche eine ordnungsmäßige Prüfung eingerichtet ist, nur an solche Personen verleihen darf, 
welche entweder diese Prüfung in Hessen erfolgreich abgelegt oder welche in einem anderen 
Staate durch Bekleidung eines Staatsamtes ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung des betreffenden 
Amts bewiesen haben (HV. 47) 8). Ferner ist die Regierung nicht befugt, einen hessischen 
Staatsangehörigen, welchem Stande oder welcher Religion er auch angehöre, an der Wahl 
des Beamtenberufs zu hindern oder ihm, sofern er die hinsichtlich der Vorbereitung zum 
Staatsdienste bestehenden Vorschriften befolgt, zu untersagen, sich im Auslande auszu- 
bilden (HV. Art. 36) /). Irgendein Zwang, Personen, welche die vorgeschriebenen Prüfungen 
abgelegt und die sonstigen Voraussetzungen erfüllt haben, ihrem Antrage entsprechend in den 
Staatsdienst aufzunehmen, besteht jedoch selbstverständlich nicht. Eine rechtliche Beschränkung 
des freien Anstellungsrechts der Regierung liegt dagegen noch darin, daß im Hinblick auf 
Art. 50 HV. Personen, welche auf Grund strafgerichtlichen Urteils die Fähigkeit zur Bekleidung 
öffentlicher Amter verloren haben, unter keinen Umständen — auch nicht nach vorheriger Be- 
gnadigung — im Staatsdienste mehr angestellt werden können 5). 
Gleichzeitig mit der Anstellung erfolgt in der Regel — aber nicht begrifflich 
notwendig — die UÜbertragung eines bestimmten Staatsamtes. 
Sie geschieht durch einseitigen Willensakt des Staates und erfordert demgemäß, sofern 
nicht bestehende Gesetze, das Anstellungsdekret oder die Natur des eingegangenen Dienst- 
verhältnisses entgegenstehen, regelmäßig keine Annahmeerklärung. Voraussetzung der Amts- 
übertragung ist zuweilen die Leistung einer Kaution (Amtsbürgschaft). Diese ist indessen 
durch VO. v. 25. IV. 1904 (RBl. S. 177) im allgemeinen beseitigt und nur noch statthaft, 
insoweit dies ausdrücklich durch Gesetz bestimmt ist oder insoweit die Kaution nicht oder doch 
nicht ausschließlich zur Sicherstellung des Staates dient 5). 
44. Die Pflichten und Rechtsbeschränkungen der Staatsbeamten. Die 
Beamtenpflichten werden eingeteilt in dieallgemeinen Dienstpflichten,d. s die- 
jenigen Pflichten, welchen jeder Beamte als solcher ohne Rücksicht auf die Innehabung eines 
1) Bgl. hierher die eingehenden Ausführungen bei Wiegand S. 23 und die mehrfach 
auf hessisches Recht eingehende Abhandlung von Hans Schneider, Die rechtliche Natur des 
Offiziersdienstes in Deutschland, Gieß. Ddnr 1906, S. 51 ff. 
2) Vgl. aber die Vorschriften über die Militäranwärter, besonders Min Bek. (sog. „Grund- 
sätze“) v. 25. III. 1882 (RBl. S. 163) mit mehrfachen späteren Anderungen, und „Verzeichnis 
der den Militäranwärtern und Inhabern des Anstellungsscheins vorbehaltenen Dienststellen“, 
Min Bek. vom 26. Okt. 1910 (RBl. S. 223 u. 236). 
3) Bgl. hierher L V. II 1820, B. 2, H. 6 S. 19 u. Beobachter 1832 S. 51, 95. — Wenn 
Cosack S. 45 ausführt, daß das hessische Staatsrecht im Gegensatz zu Preußen und zum Reich 
auch für Minister einen „Befähigungsnachweis“ verlange, so Übersieht er, daß es für Minister, 
ebenso wie für manche andere Staatsbeamte ( 9. B. Hochschullehrer) keine vordmungsmäßige“ 
Prüfung im Sinne des Art. 47 HV. gibt. auch van Calker, . 
4) Bezüglich der Entstehung des Art. r s. van Calker, VG. u. Sui. 
5) Vgl. Wiegand S. 31f. 
6) Vgl. Wiegand S. 35 
 
	        
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