Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

120 Die Organisation des Staates. Die Selbstverwaltungskörper. * 52 
  
genommen werden, die bereits volljährig waren, als ihr Vater das Ortsbürgerrecht durch 
Aufnahme erwarb. Wer von der genannten Berechtigung Gebrauch machen will, hat bei 
dem Bürgermeister Antrag auf Eintragung in das Bürgerregister zu stellen. Der Bürger- 
meister hat den Antrag zu prüfen und je nach dem Ergebnis der Prüfung den Eintrag zu voll- 
ziehen oder — falls er glaubt, den Eintrag verweigern zu müssen — hierüber die Gemeinde- 
vertretung zu hören. Entscheidet diese, daß dem Antragsteller kein Recht auf Eintragung 
zustehe, so hat der Bürgermeister die Eintragung abzulehnen. Gegen den ablehnenden Bescheid 
steht dem Antragsteller die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu. Die Entscheidung „des 
Berufungsgerichts“ 1) ist endgültig. Von dem vorgenannten Erfordernis der Volljährigkeit 
kann auf Bitte des Antragstellers vom Kreisamt mit Zustimmung der Gemeindevertretung 
Befreiung gewährt werden (St O., LGO. Art. 24, 25, 20). 
2. Die Aufnahme als Ortsbürger kann jeder volljährige hessische Staatsangehörige 
männlichen Geschlechts da verlangen, wo ihm das Recht, Ortsbürger zu werden, nicht durch 
Geburt zusteht 2). Stillschweigende Voraussetzung der Ortsbürgeraufnahme ist die vorherige 
Wohnsitznahme (Niederlassung) in der Gemeinde, die nur aus den im Freizügigkeitsgesetz 
vom 1. November 1867, Ss 3—5 genannten sicherheitspolizeilichen und armenpolizeilichen 
Gründen versagt werden kann 9). Die Versagung der Ortsbürgeraufnahme ist — die erfolgte 
Niederlassung vorausgesetzt — nur dann zulässig, wenn der darum Nachsuchende entweder 
a) keinen guten Ruf besitzt oder 
b) voraussichtlich nicht in der Lage ist, in rechtmäßiger Weise für seinen Unterhalt zu 
sorgen. 
Bezüglich des Erfordernisses der Volljährigkeit ist ebenso wie im vorstehenden Fall Be- 
freiung möglich (St O., LGO. Art. 27). 
Die Erteilung oder Versagung der Aufnahme erfolgt durch den Bürgermeister nach 
Maßgabe eines vorherigen Gemeindevertretungsbeschlusses. Bezüglich der Anfechtung eines 
etwaigen ablehnenden Bescheides gilt das gleiche wie bezüglich der Verweigerung der Ein- 
tragung im Bürgerregister. 
Für Fälle der Erwerbung des Ortsbürgerrechts durch Aufnahme kann die Gemeinde- 
vertretung mit Genehmigung des Ministeriums des Innern die Bezahlung eines Einzugs- 
gelds und — als Entgelt für die Teilnahme an den Nutzungen der Ortsbürger am 
Gemeindevermögen — auch noch die Leistung eines Einkaufsgelds (oder eines „außer- 
ordentlichen Einzugsgelds“) anordnen. „Das Einzugsgeld kann für naturalisierte Ausländer 
höher bemessen werden als für Hessen oder solche Deutsche, welche die hessische Staats- 
angehörigkeit durch Aufnahme erworben haben“""). Die Höhe des Einkaufsgeldes richtet sich 
nach dem Gesetz, die Gemeindenutzungen der Ortsbürger betreffend, vom 21. VI. 1852, RBl. 
S. 297. Ortsbürger, die das Ortsbürgerrecht durch Aufnahme erwerben, können durch Lokal- 
statut von der Bezahlung des Einkaufsgeldes befreit werden, falls sie bei ihrer Aufnahme 
auf den ihnen hiernach zukommenden Ortsbürgernutzen für mehrere Jahre von der Entstehung 
des „ Nutzungsanspruches ab verzichten (St O., LGO. Art. 27—30). 
1) Mit „Berufungsgericht" kann hier gemäß BRG. Art. 14 nur der Kreisausschuß ge- 
meint sein. Dieser hat aber im vorliegenden Falle nicht die Eigenschaft eines Berufungsgerichts 
im technischen Sinne des Wortes (s. die einschlägigen Ausführungen über das Verwaltungs- 
streitverfahren), sondern er bildet hier die erste und einzige verwaltungsrechtliche Instanz. 
2) Gemäß StO., LGO. 27 steht das Recht auf Aufnahme jedem Volljährigen männlichen 
Geschlechts zu, „der die Staatsangehörigkeit besitzt oder erworben hat.“ Das bedeutet tatsächlich 
nichts anderes als „jeder volljährige hessische Staatsangehörige“, wie es in Art. 24 St O., LG. 
heißt. Der Gebrauch der Worte „erworben hat“ erklärt sich wohl aus der Tatsache, daß der Er- 
werb des Ortsbürgerrechts durch Geburt im Gegensatz zu dem Erwerb durch Aufnahme 
#r von kaum denkbaren Ausnahmefällen abgesehen — nur für geborene Hessen in Betracht 
ommt. 
3) Bezüglich der Notwendigkeit der Wohnsitznahme s. oben S. 118 Anm. 2. 
4) Im Augenblick der Erhebung des Eizugsgelds sind die drei hier unterschiedenen Gruppen 
von Staatsangehörigen unterschiedslos „Hessen“, d. h. hessische Staatsangehörige. Die Aus- 
drucksweise des Gesetzes ist also nicht glücklich. Über die Auslegung und den Zweck der allegierten 
Vorschrift kann indessen kein Zweifel bestehen.
	        
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