Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

g 53 Die Organisation der Stadtgemeinden. 123 
  
Eine indirekte Beschränkung der Wählbarkeit liegt darin, daß die Stadtverordneten 
unter sich weder in gerader Linie verwandt oder verschwägert noch im zweiten Grade der 
Seitenlinie miteinander verwandt sein dürfen, ferner, daß Stadtverordnete nicht gleichzeitig 
ein besoldetes Amt in der städtischen Verwaltung bekleiden können, und endlich darin, daß 
mindestens die Hälfte der Stadtverordneten aus dem höchstbesteuerten Dritteil der zur Stadt- 
verordnetenversammlung Wählbaren gewählt werden muß (Art. 40, 42 u. 36 St.). 
4. Wahlperiodenund Ergänzungswahlen. Die Wahl der Stadtverord- 
neten geschieht vorbehaltlich der Anwendung der für die Fälle einer Neuwahl getroffenen 
Sonderbestimmungen auf neun Jahre. Alle drei Jahre scheidet ein Drittel der Stadt- 
verordneten aus und wird durch „ordentliche Ergänzungswahlen“ ersetzt. Gleichzeitig mit 
Vornahme der Ergänzungswablen sind die in der Zwischenzeit abgegangenen Stadtverordneten 
zu ersetzen. Vor Ablauf dieser Frist haben „außerordentliche Ergänzungswahlen“ nur dann 
stattzufinden, wenn entweder die Zahl der Stadtverordneten durch Abgang unter zwei Dritt- 
teile des gesetzlichen Bestands herabgesunken ist, oder wenn die Vornahme einer solchen Wahl 
von dem Kreisrat, dem Bürgermeister oder der Stadtverordnetenversammlung aus sonstigen 
Gründen für erforderlich erachtet wird (St O. 43—40). # 
5. Einleitung und Durchführung der Wahl stehen unter eingehenden 
gesetzlichen Vorschriften. Als Wahlbezirk gilt in der Regel der Bezirk der Stadtgemeinde; 
jedoch können durch Ortssatzung auch mehrere abgegrenzte Wahlbezirke gebildet und die zu 
wählenden Stadtverordneten auf diese verteilt werden. Die Festsetzung des Wahltermins 
und die Aufstellung und Offenlegung der Wählerliste erfolgen nach Maßgabe des Gesetzes 
durch den Bürgermeister. Einwendungen gegen den Inhalt der letzteren entscheidet der Bürger- 
meister vorbehaltlich der Anfechtung seiner Entscheidung im Wege der verwaltungsgerichtlichen 
Klage. Nach der Berufung der Wahlberechtigten zur Vornahme der Wahl durch den Bürger- 
meister findet an dem von ihm bestimmten Termine und Orte (Wahllokal) unter Leitung des 
Wahlvorstands (bestehend aus dem Wahlvorsteher, dessen Stellvertreter und zwei bis vier 
Beisitzern oder deren Stellvertretern) die öffentliche Wahl statt (St O. Art. 47—54). Zur 
Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen befugt, welche ausweislich der festgestellten 
Wählerliste wahlberechtigt sind; es müßte denn — soweit wegen Ruhens der Wahlberechtigung 
ein Eintrag nicht erfolgt war — der Wegfall jenes Hindernisses urkundlich bescheinigt sein 
(St O. 55). Die Abstimmung erfolgt unter geeigneten Vorkehrungen zur Wahrung des Wahl- 
geheimnisses mit Stimmzetteln unter amtlichem Umschlag (St O. 56). Nach Schluß der 
Abstimmung stellt der Wahlvorstand das Abstimmungsergebnis fest. Unmittelbar nach der Wahl 
erfolgt die schriftliche Benachrichtigung der Gewählten und die öffentliche Bekanntgabe des 
Wahlergebnisses unter gleichzeitiger Offenlegung des Wahlprotokolls durch den Bürgermeister 
Nach Ablauf der dreitägigen Offenlegungs- und Einwendungsfrist werden die Wahlakten 
dem Kreisamt vorgelegt (Art. 57—62 Abs. I). Der Kreisrat ist bei erheblichen Gesetzwidrigkeiten 
oder bei gesetzlicher Unfähigkeit eines Gewählten zur Beanstandung der Wahl verpflichtet 
Außerdem ist er zur Beanstandung berechtigt, wenn ihm Vorgänge bekannt werden, die ge- 
eignet waren, das Wahlergebnis in unlauterer Weise zu beeinflussen, wie z. B. Spendung 
von freien Getränken und Speisen vor der Wahl 1). Sind Einwendungen oder eine Be- 
anstandung der Wahl erfolgt, so ist über die Gültigkeit der Wahl im Verwaltungsstreitverfahren 
zu entscheiden. Einwendungen und Beanstandungen sind jedoch insoweit nicht zu berücksichtigen, 
als sie sich auf Unrichtigkeit der abgeschlossenen Wählerliste stützen; es müßte denn sein, daß 
bei der Aufstellung und Führung dieser Liste kriminell strafbare Handlungen oder eine im 
Wege des Disziplinarstrafverfahrens zu verfolgende Amtspflichtverletzung vorgekommen sind 
(Art. 62 Abs. II, 63). Erforderlichenfalls (so bei Ungültigkeitserklärung oder Ablehnung) 
hat eine nochmalige Wahl stattzufinden (Art. 65) 2). 
1) Siehe Best zu Art. 62 St. 
2) Siehe Best zu Art. 65 St O. — Bezüglich der näheren Bestimmungen über die Ab- 
haltung der Wahl s. die Artikel 47—67 StO. und die vom Ministerium des Innern erlassene 
Wahlanleitung v. 25. III. 1912, RBl. S. 249, sowie die Noten bei Best a. a. O.
	        
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