g 55 Der Wirkungskreis d. Gemeinden u. d. Zuständigkeit ihrer Verfassungsorgane. 133
meinden“ fällt demnach namentlich die Errichtung und Verwaltung gemeindlicher Einrich-
tungen und Anstalten (wie Wege, Begräbnisstätten, Krankenhäuser, Elektrizitäts-, Gas- und
Wasserwerke usw.), die Verwaltung des Gemeindevermögens, die Beschaffung der erforder-
lichen Gemeindeeinnahmen, die Feststellung der Gemeindeausgaben, die Aufstellung von
Rechtsregeln in bezug auf bestimmte Rechte und Pflichten der Gemeindemitglieder usw. —
Im einzelnen ist die Besorgung der Gemeindeverwaltung in folgender Weise auf die ver-
schiedenen Gemeindeorgane verteilt:
1. Die Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung,
Gemeinderat).
Sie ist dasjenige Organ, welches den Willen der Gesamtheit der Gemeindeangehörigen
zum Ausdruck zu bringen und demgemäß die eigentlichen Richtlinien für die Führung der
Gemeindeverwaltung zu geben hat. Sie bildet gewissermaßen die beschließende Gewalt der
Gemeinde, hat die ausführende Tätigkeit des Bürgermeisters mitzubestimmen und nach Maß-
gabe des Gesetzes zu beschränken und zu kontrollieren und beschließt grundsätzlich über alle
gemeindlichen Angelegenheiten, soweit dieselben nicht ausschließlich dem Bürgermeister oder
besonderen Deputationen überwiesen sind. Über andere als gemeindliche Angelegenheiten
darf die Gemeindevertretung nur dann beraten, wenn sie ihr dorch besondere Gesetze oder
in einzelnen Fällen durch die Aufsichtsbehörden zugewiesen sind 1). Zur eigenen Ausführung
der von ihr gefaßten Beschlüsse ist die Gemeindevertretung niemals befugt; zum Zwecke der
Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse ist sie jedoch berechtigt, sich jederzeit von der Verwendung
der Gemeindeeinnahmen und der Aueführung ihrer Beschlüsse zu überzeugen und zu diesem
Behufe die Akten der Bürgermeisterei einzusehen 2).
Die Tätigkeit der Gemeindevertretung ist in der Regel völlig selbständig; in manchen
Fällen ist sie indessen an die Zustimmung anderer Organe (Bürgermeister, Kreisrat, Kreis-
ausschuß, Ministerium des Innern) gebunden. In den Landgemeinden besteht eine derartige
Bindung der Gemeindevertretung häufiger als in den Städten. Genehmigung des Kreis-
rats ist beispielsweise erforderlich: Zur Veräußerung von Immobilien im Werte von über
500 Mk., in Landgemeinden auch zur Verfügung über Immobiliarrechte; zur Veräußerung
oder wesentlichen Veränderung von Gegenständen, deren Erhaltung wegen ihrer Bedeutung
für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte im öffentlichen Interesse liegt; zu gewissen Verzicht-
leistungen; zu Schenkungen; zu Verträgen, durch welche Dritten Rechte auf Versorgung der
Gemeinde oder ihrer Angehörigen mit Wasser, Kraft, Licht, Heizung oder Rechte in bezug
auf Transport= und Verkehrswesen eingeräumt werden sollen usw. :3); zur Aufnahme von
Anleihen, außer von solchen, die zur Schuldentilgung oder zur vorübergehenden Beschaffung
von Betriebsmitteln dienen und — letzterenfalls — im Rechnungsjahr der Darlehnsaufnahme
wieder zurückgezahlt werden ).
Unter den Zuständigkeiten der Gemeindevertretung sind die folgenden als besonders wichtig
und für die Abgrenzung des gemeindlichen Wirkungskreises charakteristisch hervorzuheben:
à) Die Beschlußfassung über die Benutzung des Gemeindevermögens
und die Anlage von Gemeindekapitalien vorbehaltlich der Rücksichtnahme
auf einschränkende gesetzliche Bestimmungen, Rechte der Ortsbürger, Genehmigungserfordernis
usw. 5).
b) Der Erlaß von statutarischen Anordnungen, d. i. von autonomen Rechtssätzen, über
bestimmte Gegenstände des gemeindlichen Wirkungskreises ssog. Ortssatzungen oder
Lokalstatuten). Die beiden Gemeindeordnungen verordnen hierüber in ihrem Artikel 15
übereinstimmend folgendes:
Jede Gemeinde ist befugt, Ortssatzungen zu erlassen: #) über solche Angelegenheiten
der Gemeinde, sowie über solche Rechte und Pflichten ihrer Angehörigen, „hinsichtlich derer
1) StO. Art. 92, LGO. Art. 91.
2) St O. Art. 94, LGO. Art. 93; Best zu Art. 94 StO.
3) Siehe StO. Art. 95, LGO. Art. 95; vgl. Best a. a. O.
4) StO., LGO. Art. 96; Best a. a. O.
5) StO., LG. Art. 93; Best a. a. O.