Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

136 Die Organisation des Staates. Die Selbstverwaltungskörper. g 65 
  
d) Den bei der fraglichen Abstimmung in der Minderheit gebliebenen Stadtverordneten 
steht weder als einzelnen noch in ihrer Gesamtheit ein Anfechtungsrecht zu ). 
2. Der Bürgermeister. Er ist „der verantwortliche Leiter der gesamten gemeind- 
lichen Verwaltung“, jedoch leitet er die Verwaltung nicht nach seinem freien Belieben, sondern 
nach dem Willen der Gemeindevertretung, deren Ausführungsorgan er ist. Seine Stellung 
als Leiter der Gemeindeverwaltung äußert sich u. a. auch in dem ihm zusteyenden Vor- 
sitz in der Gemeindevertretung, in der ihm gegenüber den Beigeordneten zustehenden Be- 
fugnis zur Ressortverteilung.) und in dem Recht zur Erteilungvon Dienst- 
aufträgen an die Gemeindebeamten 3). 
Im einzelnen hat der Bürgermeister außer den ihm anderweitig übertragenen gesetz- 
lichen Obliegenheiten namentlich folgende — allerdings nicht durchweg auf dem Gebiete der 
kommunalen Selbstverwaltung gelegene — Aufgaben: 
a) Die Besorgung der örtlichen Geschäfte der allgemeinen Staatsverwaltung, insbe- 
sondere der örtlichen Polizeiverwaltung, soweit nicht zu deren Wahrnehmung besondere Be- 
amte bestellt sind 5). 
b) Die Ausführung der Gesetze, Verordnungen und Verfügungen der staatlichen Auf- 
sichtsbehörden. 
e) Die Vorbereitung und Ausführung der Gemeindevertretungsbeschlüsse. 
d) Die Verwaltung der Gemeindeanstalten und die Beaufsichtigung der hierfür be- 
sonders eingesetzten Verwaltungen. 
e) Die Führung der laufenden Vermögensverwaltung der Gemeinde, einschließlich der 
etatsgemäßen Einnahme- und Ausgobenanweisung und der Uberwachung des Kassen= und 
Rechnungswesens. 
fon Die Verwaltung des Gemeindeeigentums. 
8) Die Ernennung und Anstellung der Gemeindebeamten 5) nach näherer Vorschrift 
des Gesetzes. 
h) Die Aufbewahrung der gemeindlichen Urkunden und Akten. 
i) Die Wahrung der gemeindlichen Rechte, Vertretung dieser Rechte nach außen und 
Vertretung der Gemeinde bei Verhandlungen mit Behörden und Dritten nach näherer Vor- 
schrift des Gesetzes?). 
Gegen Entschließungen oder Verfügungen des Bürgermeisters ist innerhalb einer Frist 
von zwei Wochen, vom Ablauf des Tages der Zustellung oder Bekanntgabe an gerechnet, vor- 
behaltlich der Sondervorschriften über die Anfechtung der Wählerlisten bei den Gemeinde- 
wahlen, Beschwerde an den Kreisrat und gegen dessen Entscheidung innerhalb der gleichen 
Frist Beschwerde an das Ministerium des Innern zulässig 5). 
II. Die Verwaltung des „übertragenen Wirkungskreises“)). 
Wie oben (s. S. 132) ausgeführt wurde, beschränkt sich die Tätigkeit der gemeindlichen Organe 
nicht auf die Besorgung der den Gemeinden eigentümlichen Angelegenheiten, sondern sie 
erstreckt sich auch noch auf eine Reihe von weiteren, den Gemeinden rechtlich fremden An- 
gelegenheiten, welche ihnen lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Erledigung zugewiesen 
werden. Hierher gehört namentlich die Führung staatlicher Geschäfte, und daneben auch die 
Verwaltung der Angelegenheiten der örtlichen Stiftungen. Die den Gemeinden zur Besorgung 
1) StO., LGO. Art. 98; Best zu Art. 98 StO. 
2) Siehe oben S. 125 u. Best zu StO. Art. 117. 
3) Siehe StO. Art. 117, LG. Art. 114; Best zu Art. 117 StO. 
4) StO., LGO. Art. 121. 
5) Bezüglich der Geschäfte der Lokalpolizei s. auch St O. Art. 129 a, 129 b u. 129c, 
LG#O. Art. 128aà u. 128 b, und unten §# 85, 86. 
6) So oben s# 63, 54. 
7) Siehe auch St O. Art. 123—128, LGO. Art. 122—127. 
8) St O. Art. 129, 51; LGO. Art. 128, 51. 
9) Bezüglich der Unterscheidung zwischen „eigenem“ und „übertragenem“ Wirkungskreis 
s. namentlich Freiherr v. Stengel, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, Stutt- 
gart 1886, S. 119 ff.
	        
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