756 Die Gemeindeverbände (Zweckverbände). 137
übertragenen staatlichen Geschäfte gehören den verschiedensten Gebieten an, so der Rechts-
pflege (Sühneämter, Gewerbegerichte usw.), der Militärverwaltung (Ersatzgeschäft), der Polizei
usw. Das präsumptiv zuständige Organ für die Besorgung der Angelegenheiten des über-
tragenen Wirkungskreises ist der Bürgermeister allein 1) als mittelbares Staatsorgan, für die-
jenigen des eigenen Wirkungskreises dagegen der Bürgermeister unter bestimmender Mit-
wirkung und als Ausführungsorgan der Gemeindevertretung.
Die Unterscheidung zwischen dem eigenen und dem übertragenen Wirkungskreis ist
namentlich in folgenden Richtungen bedeutsam ?:
1. Die Verwaltung der eigenen Angelegenheiten wird von der Gemeinde in der Regel
selbständig und nach eigenem Ermessen durch die eigenen Organe (s. oben), aber auch auf
eigene Kosten besorgt; innerhalb des übertragenen Wirkungskreises dagegen bestimmt in der
Regel der Staat, auf welche Weise, von wem und auf wessen Kosten (zum Teil regelmäßig
auf Staatskosten) die einschlägigen Angelegenheiten zu erledigen sind.
2. Soweit die gemeindlichen Organe innerhalb des eigenen Wirkungskreises der Ge-
meinde tätig werden, unterstehen sie nur der staatlichen Oberaufsicht und haben daher außer in
den gesetzlich bestimmten Fällen keine Befehle der staatlichen Behörden entgegenzunehmen.
Innerhalb des übertragenen Wirkungskreises dagegen haben die gemeindlichen Organe in der
gleichen Weise wie die unmittelbaren staatlichen Behörden und Beamten den Weisungen
der übergeordneten Staatsorgane zu entsprechen. Hieraus ergeben sich auch entsprechende
Folgen auf disziplinärem Gebiete s).
3. Der eigene Wirkungskreis kann innerhalb der begrifflichen und etwaiger ausdrück-
licher gesetzlicher Grenzen von der Gemeinde beliebig erweitert und verengert werden. Die
Abgrenzung des übertragenen Wirkungskreises dagegen geschieht durch den Staat und kann
von diesem im Wege oder auf der Grundlage des Gesetzes jederzeit willkürlich geändert werden.
§ 56. Die Gemeindeverbände (Zweckverbände). I. Die Bildung von Zweck-
verbänden der Gemeinden war bisher nur in einzelnen gesetzlich bestimmten Fällen vorgesehen.
Solche finden sich in dem Ausführungsgesetz zum Unterstützungswohnsitzgesetz vom 14. VII.
1871 (Art. 3 Abs. 1), in dem Volksschulgesetz vom 16. VII. 1874 (Art. 2 Abs. 2), in der
Landesfeuerlöschordnung vom 29. III. 1890 (Art. 2), in dem Bachgesetz vom 30. VII. 1887
30. IX. 1899 (Art. 97) und in dem Sparkassengesetz vom 8. VIII. 1902 (Art. 12 ff.). Im
übrigen war es den Gemeinden zwar nicht verboten, sich auch zu anderen, gesetzlich nicht
näher bestimmten Zwecken, wie z. B. zur Beschaffung elektrischer Energie, zum Bau und
Betrieb von Kleinbahnen, Wasserwerken usw., zusammenzuschließen, jedoch entbehrten der-
artige Verbände der verwaltungsrechtlichen Grundlage und namentlich der Rechtsfähigkeit.
Den hieraus resultierenden Mißständen wird durch die unten dargestellten Vorschriften der
Landgemeindeordnung vom 8. VII. 1911 vorgebeugt.
II. Zur Wahrnehmung einzelner Gemeindeangelegenheiten können Stadt= oder Land-
gemeinden") mit Zustimmung der beteiligten Gemeindevertretungen oder Gemarkungs-
eigentümer und mit Genehmigung des Ministeriums des Innern mit benachbarten Gemeinden
oder selbständigen Gemarkungen zu einem Verband vereinigt werden. Die mangelnde
Zustimmung eines Beteiligten kann, wenn das öffentliche Interesse die Bildung eines solchen
Verbandes erfordert, durch einen mit Gründen versehenen Beschluß des Kreisausschusses
ersetzt werden 5). Im einzelnen gilt folgendes:
1) Siehe z. B. St O. Art. 121, 129a, b u. c, Art. 2, 2O. Art. 121, Art. 128a u. b, Art. 2.
2) Siehe v. Stengel S. 120.
3) Vgl. z. B. das oben in s 53, 54 bezüglich der gemeindlichen Deputationen Gesagte.
4) Die Landgemeindeordnung, deren 8. Titel die Gemeindeverbände behandelt, während
die Städteordnung überhaupt keine Bestimmungen über diese Verbände enthält, spricht in dem
grundlegenden Artikel 195 von „Gemeinden“ schlechthin und denkt in erster Linie offenbar nur
an die Verbindung von Land gemeinden. Art. 204 Abs. II faßt jedoch auch die Verbindung
von Landgemeinden bzw. selbständigen Gemarkungen mit Stadt gemeinden ins Auge und
rechtfertigt somit die obige Ausdrucksweise.
B 15 Wa Art. 196, dazu Begründung (LV. II 1908/11, Drucks. 201, Art. 204) S. 106;
est a. a. O.