Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 69 Das Enteignungsverfahren. 177 
  
  
Gemeinden, c) das Deutsche Reich und andere deutsche Bundesstaaten, d) Eisenbahnunter- 
nehmer (Privatpersonen und Privatgesellschaften), e) sonstige Untermehmer. In den Fällen c) 
und c) ist zur Verleihung des ER. eine landesherrliche Verordnung, im Falle e) ist hierzu ein 
besonderes Gesetz erforderlich (Art. 1, 2). 4. Der Entschädigungsanspruch umfaßt einmal den 
Ersatz des vollen wirklichen Wertes (nicht des bloßen Affektionswertes) des Enteignungsobjekts 
und sodann den Ersatz des etwaigen, durch die Enteignung außerdem eingetretenen weiteren 
Schadens (z. B. Wertminderung des dem Enteigneten verbliebenen Restgrundstücks) (Art. 
6—8). Unter Umständen kann der Enteignete beanspruchen, daß an Stelle teilweiser Enteignung 
oder bloßer dinglicher Belastung seines Grundeigentums die Zwangsenteignung des ganzen 
Grundstücks verfügt wird (Art. 15—18). Abgesehen von der Entschädigungspflicht trifft den 
Unternehmer die Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung sämtlicher Anlagen, welche 
für die benachbarten Grundstücke oder im öffentlichen Interesse zur Sicherung gegen Gefahren 
und Nachteile notwendig sind oder notwendig werden (Art. 14). 
Besondere Regeln gelten für folgende Fälle: 1. Wer in seinem Grundstücke solche 
unterirdische Naturprodukte (Fossilien) besitzt, welche nicht unter das allgemeine Berggesetz 
(s. unten § 107) fallen und deren Benutzung dem allgemeinen Besten entspricht, kann unter 
Anwendung der oben angeführten Grundsätze gezwungen werden, dieses Grundeigentum 
dem Staate, der Provinz, dem Kreise oder der Gemeinde rei sitae zur Gewinnung dieser 
Fossilien im dauernden gemeinnützigen Interesse abzutreten. Der Grundeigentümer kann 
sich aber der E. entziehen, wenn er erklärt, sein Grundeigentum selbst in der bezeichneten Weise 
ausnützen zu wollen, und wenn er diesem Versprechen innerhalb von zwei Jahren nachkommt 
(Art. 64). 2. Ein außerordentliches Enteignungsrecht besteht in Notfällen, 
wie Uberschwemmung, Krieg, ansteckende Krankheiten, Feuersgefahr. Die Entschädigung 
richtet sich hier zwar ebenfalls nach den Vorschriften des Enteignungsgesetzes — bzw. ge- 
gebenenfalls nach denjenigen des Brandversicherungsgesetzes vom 28. September 1890/30. Sep- 
tember 1899 — im übrigen fallen aber selbstverständlich alle Formvorschriften weg (Art. 65). 
II. Das Enteignungsverfahren. Die erste Bedingung der Vornahme 
einer Enteignung ist, daß in concreto die grundsätzliche Zulässigkeit der E., sei es ohne weiteres 
unmittelbar auf Grund des Enteignungsgesetzes, sei es zufolge ausdrücklicher Verleihung durch 
landesherrliche Verordnung oder Spezialgesetz, feststeht. Ist diese materielle Voraussetzung 
gegeben, so findet nach erfolgloser Durchführung der vorgeschriebenen gütlichen Verhand- 
lungen zwischen dem zu Enteignenden und dem Enteignungsunternehmer (Art. 21) folgendes, 
in vier Stadien zerfallendes Verfahren statt: 
1. Das Vorverfahren. Dasselbe findet bei dem Kreisamte rei sitae statt und 
umfaßt vor allem die Einbringung des Zwangsenteignungsantrags, dann die öffentliche Be- 
kanntgabe des geplanten Unternehmens und die Anberaumung einer sog. Tagfahrt zur münd- 
lichen Vorverhandlung mit den Beteiligten vor der Lokalkommission insbesondere zwecks Entgegen- 
nahme etwaiger Einwendungen, Anträge und sonstigen Erklärungen der Beteiligten (Art. 22—27). 
2. Das Verfahren vor der Lokalkommission. Die aus dem Kreisrate 
und zwei vom Kreisausschusse gewählten unbeteiligten Mitgliedern bestehende Lokalkommission 
verhandelt bei Gelegenheit der anberaumten Tagfahrt mit den Beteiligten, versucht wieder- 
holt die Herbeiführung einer gütlichen Einigung, legt — gegebenenfalls unter Zuziehung 
von Sachverständigen — alle Verhältnisse des Enteignungsfalles möglichst klar und sendet 
sodann binnen Monatsfrist alle Verhandlungen einschließlich der etwa vorgebrachten Ein- 
wendungen und Anträge mit ihrem Gutachten an den Provinzialausschuß zur Entscheidung 
ein (Art. 28—30). 
3. Das Verfahren vor dem Provinzialausschuß und der Be- 
rufungsinstanz. Der Provinzialausschuß, zu dessen Verhandlungen der Vorsitzende 
der Lokalkommission mit beratender Stimme zugezogen werden kann, entscheidet im Ver- 
waltungsstreitverfahren 1) über folgende Punkte (Art. 33: 
1) Siehe VR. Art. 131 Nr. 21, wodurch die Art. 31, 35 Abs. 1 u. 2, und Art. 58 
Abs. 6 des EG. entsprechend modifiziert wurden. 
van Calker, Hessen. 12
	        
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