Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

180 Die Finanzverwaltung. Die staatliche Finanzverwaltung. § 70 
1. Die Hauptstaatskasse, welche in unmittelbarer Unterordnung unter das 
Finanzministerium und in Uberordnung über alle ablieferungepflichtigen fiskalischen Kassen 
die Einnahme= und Ausgabeanweisungen der mit der Ausführung des Staatsvoranschlags 
betrauten Behörden empfängt und vollzieht 1); 
2. die Staatsschuldenverwaltung (s. u. F. 72); 
3. die Staatsschuldenkasse (s. u. § 72); 
4. das Erbschaftssteueramt, welches die Feststellung der Reichs- und Landes- 
erbschaftssteuer zu besorgen hat (s. u. § 78); 
5. die Finanzämter (37), das sind die früheren Steuerkommissariate, denen die 
Veranlagung der direkten Landes= und Gemeindesteuern obliegt 2); 
6. die Kontrollbeamten (5), denen je ein Kontrollbezirk (Darmstadt 1 und I1) 
Gießen, Friedberg, Mainz) mit durchschnittlich je zehn Bezirkskassen (im ganzen 49) 
und der erforderlichen Zahl von Vollzugsbeamten (LPfandmeistern, im ganzen 22) 
untergeordnet ist. 
Die wesentlichste Aufgabe der Kontrollbeamten ist die Untersuchung der Dienstführung 
der ihnen unterstellten Beamten, die Vornahme der Dienstüberlieferungen bei Versetzungen 
usw. und die Abgabe von Entscheidungen in bezug auf die an sie zu erstattenden Berichte 3). 
III. Außerhalb der Organisation der eigentlichen Finanzverwaltung steht die Ober- 
rechnungskammer). Diese ist eine dem Großherzog unmittelbar untergeordnete, 
der Staatsverwaltung gegenüber selbständige Behörde mit kollegialischer Verfassung. Sie 
hat die Kontrolle des gesamten Staatshaushalts durch Prüfung und Feststellung der Rech- 
nungen über Einnahmen und Ausgaben von Staatsgeldern, über Zu= und Abgang von 
Domanial- und Staatseigentum, sowie über die Verwaltung der Staateschulden zu führen. 
Die Oberrechnungskammer besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl 
von Kollegialräten, wovon einer die Befähigung zum Richteramt besitzen muß, sowie aus 
dem nötigen Revisions= und Kanzleipersonal). Die Beschlußfassung in den der kollegialischen 
Behandlung unterworfenen Angelegenheiten erfolgt unter Teilnahme von mindestens drei 
Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit 
gibt der Vorsitzende den Ausschlag. Über Rekurse gegen Revisionsabschlüsse der Ober- 
rechnungskammer entscheidet die sog. „verstärkte“ Oberrechnungskammer, bestehend aus 
dem n Präsident und zwei Räten der ORK. und aus drei vom Großherzog je für eine Finanz- 
1) Siehe VO., die uanisation der Hauptstaatskasse betr., v. 4. VI. 1879, RBl. S. 363, 
u. Instr. v. gl. T., RBl. S 
2) Die früheren Glssertanimiffäre führen die amtliche Benennung „Vorstand des 
Finanzamts“ und, vorbehaltlich der Verleihung eines besonderen arakters (zumeist 
„Finanzrat"), den Amtstitel „Finan zamtmann“. Den letzteren Titel führen auch die 
vormaligen Steuerkommissariatsassistenten, während die vormaligen Steuerkommissariats- 
gehüfen den Titel „Finanzamtsgehilfe“ erhalten haben. Siehe F. M. B. v. 23. XII. 1908, RBl. 
1909 S. 5. 
3) Vgl. bes. M. B., die Neugestaltung des Kassewesens betr., v. 8. IX. 1900 (RNBl. S. 551) 
m. Dienstanweisung f. d. Kontrollbeamten d. Lokalkassestellen (S. 553) u. desgl. f. d. Untererheber 
der staatl. Gefälle (S. 633), sowie M. B., die Dienst= und Disziplinarverhältn. d. Rentbeamten 
und Pfandmeister betr., v. 31. VII. 1896 (RBl. S. 109). Die Vorstände bzw. Beamten der 
Bezirkskassen führen den Amtstitel „Bezirkskassier bzw. „Bezirkskassen- 
assistent“;s. M. v. S. IX. 1900 u. 21. XI. 1900. — Soweit die Erhebung der Staatseinnahmen 
nicht unmittelbar durch die Bezirkskassen geschieht, obliegt dieses Geschäft den sog. „Unter- 
erhebstellen" (, Untererheber"), d. s. besondere staatliche Lokalkassestellen, die den Bezirks- 
kassen (und den Kontrollbeamten) untergeordnet sind. 
4) Siehe Gesetzt,k die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer betr., vom 
14. VI. 1879 (NBl. S. 479) i. d. F. v. 31. V. 1911 (NBl. S. 77). Bezüglich der Vollzugs- 
bestimmungen s. Glo * u. Lehr S. 217. — Die ORK. ist an die Stelle der durch Ges. v. 23. 
VI. 1821 geschaffenen einstigen „Rechnungskammer“ getreten, welche seinerzeit als eine dem 
Finanzministerium untergeordnete Landeszentralstelle, die „Oberrechnungs-Justifikatur"“ und 
die übrigen einzelnen Justifikaturen ersetzt hatte. 
5) Bezüglich der Disziplinarverhältnisse s. das vorbez. G. Art. 21 u. G. v. 21. IV. 1880 
(RBl. S. 67) Art. 52 ff.; bezüglich der amtlichen Bezeichnung der O. u. ihrer Beamten siehe 
Bek. v. 27. VIII. 1852 (RBl. S. 357).
	        
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