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3. Die drei untersten Einkommensklassen dürfen, von unten angefangen, alle oder zum
Teil durch Festsetzung im Finanzgesetz von der Erhebung der Einkommensteuer für die jeweilige
Finanzperiode befreit werden (Art. 48).
4. Soweit nichts Gegenteiliges gesagt ist, finden auf die Steuerveranlagung, Bestrafung
von Gesetzesverletzungen und Steuernachzahlung in der zweiten Abteilung die oben dar-
gestellten Grundsätze sinngemäße Anwendung. Die Mindeststrafe bei Verletzung der Dekla-
rationspflicht beträgt jedoch hier nur zehn Mark.
§ 75. Die Vermögenssteuer 1). Die Vermögenssteuer beruht auf dem Gesetze, die Ver-
mögenssteuer betreffend, vom 12. August 1899 (Rl. S. 499) und dient als Ergänzungssteuer
der allgemeinen Einkommenssteuer nach Maßgabe des Vermögenssteuergesetzes und des je-
weiligen Finanzgesetzes.
I. Subjektive Steuerpflichtr2). Die grundlegenden Bestimmungen über
die subjektive Steuerpflicht lehnen sich an die einschlägigen Vorschriften des Einkommenssteuer-
gesetzes an und zeigen diesen gegenüber nur insofern einen wesentlichen Unterschied, als
sie nur die natürlichen Personen treffen, die juristischen Personen dagegen steuer-
frei lassen. Bei Reichsausländern ist die Vermögenssteuerpflicht, soweit es sich nicht um in
inländischem Grundbesitz oder Gewerbebetrieb angelegtes Vermögen handelt, davon ab-
hängig, daß sie des Erwerbes wegen oder seit mindestens einem Jahre ihren Wohnsitz in Hessen
haben. Vermögenssteuerfrei sind nur die Mitglieder des Großherzoglichen Hauses und die mit
Rücksicht auf die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze auch von der Einkommenssteuer
befreiten Personen — die letzteren jedoch nur insoweit, als es sich nicht um in inländischem
Gunndbesitz oder Gewerbebetrieb angelegtes Vermögen handelt.
II. Objektive Steuerpflichts). Als steuerbares Vermögen gelten:
1. die in Hessen belegenen Grundstücke und Gebäude nebst deren Zubehör;
2. das dem Betriebe der Land= oder Forstwirtschaft (im weitesten Sinne), dem Betriebe
des Bergbaues oder eines stehenden Gewerbes dienende Anlage- und Betriebskapital;
3. alles sonstige Vermögen, wie Kapitalforderungen aus Wertpapieren, Effekten und
Schuldverschreibungen jeder Art (z. B. aus Wechseln, Schatzscheinen, Sparkassenguthaben,
Kautionen, Kontokorrentguthaben), ferner Geld, Gold und Silber in Barren, Urheber- und
sonstige selbständige Rechte und Gerechtigkeiten, soweit sie einen in Geld schätzbaren Wert haben
und zu einem Anlage= und Betriebskapital gehören, endlich der Kapitalwert der Rechte auf
Apanagen, Leib= und andere Rentenbezüge, Altenteilsrecht und andere im Gesetze näher
bezeichnete, auf längere Dauer berechnete geldwerte Bezüge (Art. 5—8).
Von dem rauhen Vermögen sind abzuziehen: 1. Kapitalschulden jeder Art, ausgenommen
die sog. Haushaltungsschulden; 2. der Kapitalwert der auf steuerbaren Vermögensteilen
ruhenden rechtsverbindlichen Lasten. —
Andererseits werden bei der Besteuerung hinzugerechnet: 1. dem Fideikommißbesitzer
das Fideikommißvermögen; 2. dem Haushaltungsvorstand das Vermögen der nach dem Ein-
kommenssteuergesetz mit ihm als eine Person anzusehenden Haushaltungsangehörigen; 3. den
Mitgliedern von Gesellschaften, Vereinen usw. ihr Anteil am Gesellschaftsvermögen, soweit
derselbe nicht schon unter die obengenannten steuerpflichtigen Vermögensbestandteile fällt.
III. Besteuerungsgrenze und zulässige Ermäßigungt). 1. Zur
Vermögenssteuer werden nicht herangezogen:
a) Personen, deren steuerbares Vermögen unter 3000 Mk. beträgt;
b) elternlose Minderjährige, erwerbsunfähige Personen und Witwen, deren Gesamt-
vermögen bei einem Gesamteinkommen von weniger als 750 Mk. den Betrag von 10 000 Mk.
nicht erreicht; Witwen jedoch nur unter der Voraussetzung, daß sie nicht etwa ihr Vermögen
1) Bezüglich geschichtl. W u. Ausführungsvorschriften s. S. 183 Anm. I1.
2) Ges. Art. 1—4; Anw. 88 1—4
3) Ges. Art. 5—12: Anw. # 5 u. 3, 7—17.
4) Ges. Art. 12, Anw. 88 17, 18.