Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

190 Die Finanzverwaltung. Die staatliche Finanzverwaltung. 8 75 
  
und Einkommen durch freiwillige Abtretung an Kinder oder sonstige Angehörige unter die 
vorbezeichneten Beträge vermindert haben. 
2. Steuerpflichtigen, welche auf Grund des Einkommensteuergesetzes (Art. 14, 48 Abs. 2) 
wegen verminderter Leistungsfähigkeit eine Ermäßigung der Einkommenssteuer genießen, 
kann auch bei der Vermögenssteuer eine Herabsetzung bis zu 6 Klassen gewährt werden, sofern 
das steuerpflichtige Vermögen unter 30 000 Mk. beträgt. 
IV. Veranlagungt). 1. Die Veranlagung zur Vermögenssteuer erfolgt im Wege 
der Schätzung und zwar gleichzeitig mit der Veranlagung zur Einkommensteuer jeweils 
durch dieselbe Kommission (erster bzw. zweiter Abteilung), welche die Veranlagung des 
Pflichtigen zur Einkommensteuer vornimmt. Hinsichtlich des Verfahrens gelten im allgemeinen 
die in dem Einkommensteuergesetze aufgestellten Vorschriften. Bemerkenswert ist der hierbei 
bestehende, beschränkte Deklarationszwang: Die von der Veranlagungskommission 
der ersten Abteilung zu veranlagenden landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und gewerb- 
lichen Betriebsunternehmer müssen bei der erstmaligen Veranlagung mit Anlage= und Be- 
triebskapital eine schriftliche Erklärung über das investierte Kapital und die es belastenden 
Schulden abgeben. Die gleiche Verpflichtung haben im Falle einer besonderen Aufforderung 
von seiten des Vorsitzenden der Veranlagungskommission auch alle übrigen Betriebsuntermehmer. 
Ebenso sind bei der erstmaligen Veranlagung alle diejenigen Personen deklarationspflichtig, 
deren sonstiges Vermögen nach Abzug der Schulden einen Wert von 3000 Mk. und mehr hat. 
Nichterfüllung der Deklarationspflicht hat für den Pflichtigen, abgesehen von der Mög- 
lichkeit seiner Bestrafung nach Maßgabe des Gesetzes, Veranlagung von Amts wegen ohne 
Mitwirkung des Veranlagten und Verlust der Rechtsmittel für das betreffende Steuerjahr 
zur Folge: für die Steuerbehörde folgt hieraus die Befugnis, den Säumigen auch für die 
folgenden Jahre bei Vermeidung der genannten Rechtsnachteile solange zur Erklärungsabgabe 
aufzufordern, bis er dieser Pflicht entsprochen hat. Bezüglich der Beanstandung von Ver- 
mögenssteuerdeklarationen gelten im allgemeinen die gleichen Grundsätze wie für das Be- 
anstandungsverfahren bei der Einkommensbesteuerung. 
2. Bei Berechnung und Schätzung des steuerbaren Vermögens ist der Bestand und ge- 
meine Wert der einzelnen Teile desselben zur Zeit der Veranlagung zugrunde zu legen, soweit 
nicht in dem Vermögenssteuergesetz etwas anderes bestimmt ist. Der gemeine Wert eines 
Vermögensgegenstandes ist der Wert, den derselbe für jeden Besitzer haben kann, oder mit 
anderen Worten: „der reine, objektive Wert, den eine Sache an sich nach dem Grade ihrer 
Brauchbarkeit für jeden Besitzer hat“ 2). Bei der Schätzung bleibt also der über den objektiven 
Wert hinausgehende „rein subjektive Wert, den eine Sache mit Rücksicht auf den Grad ihrer 
höheren Brauchbarkeit wegen besonderer in der Person eines bestimmten Besitzers liegender 
Gründe hat“ 2), unberücksichtigt. Im übrigen enthält das Gesetz eine Reihe allgemein ver- 
bindlicher Vorschriften in bezug auf die Schätzung und Veranlagung der einzelnen Vermögens- 
bestandteile und bezüglich der Behandlung nachträglicher Vermögensänderung. Diese Be- 
stimmungen finden ihre nähere Erläuterung und Ergänzung in den instruktionellen Vorschriften 
der Ausführungsanweisung vom 12. August 1899. 
3.uurch die Feststellung des steuerbaren Vermögens wird der Pflichtige, vorbehaltlich 
einer etwaigen Steuerermäßigung wegen verminderter Leistungsfähigkeit (Art. 14), ebenso 
wie bei der Veranlagung zur Einkommensteuer in eine bestimmte Klasse des gesetzlichen Steuer- 
tarifs eingereiht. Nach dem in Art. 13 des Vermögenssteuergesetzes aufgestellten Tarif beträgt 
der Einheitssatz der Vermögenssteuer 55 Pf. für je 1000 Mk. Vermögen. Dieser Normalsatz 
deckt sich jedoch nicht notwendig mit dem tatsächlich zur Erhebung gelangenden Satze. Viel- 
mehr ist es Sache des jeweiligen Finanzgesetzes, zu bestimmen, ob die gesetzlichen Normal- 
steuerbeträge erhoben oder ob und um welchen Prozentsatz dieselben erhöht oder ermäßigt 
werden sollen. Nach dem Finanzgesetz für 1911 beträgt die Vermögenssteuer für je 1000 Mk. 
reines Vermögen 0,95 Mk. jährlich. 
1) Gesetz Art. 15; Anw. I#§ 19—46. 
2) Anweisung §& 19.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.