Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

* 76 Stempelabgaben. 191 
  
  
4. Die Bestimmungen über die Einlegung von Rechtsmittel ngegen die Veranlagung 
decken sich im allgemeinen mit denjenigen des Einkommensteuergesetzes. Die Beschwerdeerhebung 
gegen die Entscheidung der Landeskommission an den Verwaltungsgerichtshof ist jedoch davon 
abhängig, daß das Vermögen des Steuerpflichtigen nach jener Entscheidung mindestens 
60 000 Mk. beträgt. Unter dieser Voraussetzung ist die Beschwerde übrigens gegenüber allen 
Entscheidungen der Landeskommission zulässig, gleichgültig, ob die Veranlagung in erster 
Instanz von der Kommission erster oder von derjenigen zweiter Abteilung erfolgt ist (Ges. 
Art. 40—47, Anw. 59). 
§# #6. Stempelabgaben 1). Neben den verschiedenen, auf Reichsrecht beruhenden 
und in die Reichskasse fließenden Reichsstempelabgaben besteht in Hessen auf Grund des 
Gesetzes über den Urkundenstempel vom 12. August 1899/28. März 1907 i. d. Fassung 
vom 23. März 1910 (RBl. 1910 S. 419), eine besondere landesrechtliche Steuer auf bestimmte 
Arten von Urkunden 2). Diese Steuer hat teils den Charakter einer reinen indirekten Steuer, 
die keinerlei Gegenleistung des Staates voraussetzt, teils den einer Gebühr für die In- 
anspruchnahme staatlicher Behörden. 
Welche Urkunden der Besteuerung unterliegen, ergibt sich aus dem, dem Gesetze als 
integrierender Bestandteil beigefügten Tarife im Zusammenhalt mit den allgemeinen 
und besonderen Bestimmungen des Gesetzes. Grundsätzlich richtet sich die Stempelpflichtig- 
keit einer Urkunde stets nach ihrem Inhalte. Urkunden über Rechtsgeschäfte sind jedoch 
vorbehaltlich anderweitiger Bestimmung des Tarifs nur stempelpflichtig, „wenn sie von einer 
für die öffentliche Beurkundung zuständigen Behörde aufgenommen oder ausgefertigt worden 
sind, oder wenn sie bei einer öffentlichen Behörde in einem Verfahren, für welches die Ein- 
reichung oder Vorlegung der Urkunde vorgeschrieben oder zugelassen ist, eingereicht oder vor- 
gelegt werden“ (Art. 4, 1). — Zu den stempelpflichtigen Urkunden gehören grundsätzlich alle 
an Behörden gerichtete Eingaben. Von dieser Regel sind jedoch nach näheren Vorschriften 
des Gesetzes (Art. 9) ausgenommen: Eingaben, die der Einlegung von Rechtsmitteln und 
Beschwerden, der Geltendmachung von bestehenden Ansprüchen oder der Bewerbung um aus- 
geschriebene Stellen dienen, ferner Eingaben in Militärsachen, sowie in allen, nicht lediglich 
Privatinteressen betreffenden Angelegenheiten, endlich alle Eingaben, „Ddurch die ein kosten- 
pflichtiges Verfahren veranlaßt oder betrieben oder in denen um Ausstellung einer stempel- 
pflichtigen Urkunde nachgesucht wird“ sowie die „Eingaben armer Personen“. 
Einzelne Angelegenheiten oder Angelegenheiten bestimmter Art können, sofern sie dem 
öffentlichen Interesse dienen, von dem Ministerium, in dessen Geschäftsbereich sie gehören, 
für stempelfrei erklärt werden. Im Falle der Beibringung eines Armutszeugnisses 
kann ganzer oder teilweiser Erlaß oder Stundung der Steuer gewährt werden. Die 
Befugnis zum Erlaß oder zur Befristung der Steuer kann von dem zuständigen Ministerium 
für einzelne Fälle oder allgemein auf unterstellte Behörden übertragen werden (Art. 3, 10, 11). 
Gesetzliche Befreiung von der Zahlung der Stempelsteuer genießen: Das Groß- 
herzogliche Privat= und Familieneigentum; der Reichs- und Landesfiskus sowie die für deren 
Rechnung verwalteten Anstalten und Kassen; die öffentlichen Anstalten für Zwecke der Wohl- 
tätigkeit, des Unterrichts, der Kunst und der Wissenschaft in Hessen; die anerkannten milden 
Stiftungen; die Kirchen und sonstigen öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften, soweit 
sie Kirchenumlagen erheben; endlich die Gemeinden und sonstigen Kommunalverbände in 
Armen-, Schul-, Kirchen- und Staatsangelegenheiten, sowie in den Angelegenheiten der 
Wohltätigkeit, des Unterrichts, der Kunst und der Wissenschaft. Die Stempelfreiheit beschränkt 
sich jedoch hierbei auf die in Hessen domizilierten Anstalten. Unter der Voraussetzung der 
1) Literatur: Amtl. Handausgabe des hess. G. U. d. Urkundenstempel (mit Erläuterungen) 
Darmstadt 1907. — Über das hessische Urkundenstempelgesetz s. C. Glässing, Die Neu- 
gestaltung der direkten Staatsbesteuerung usw., Finanzarchiv XVII. 263, 398. 
2) Mit der Ausführung des Gesetzes sind die drei Ministerien des Innern, der Justiz und 
der Finanzen betraut. Unter den zahlreichen Ausführungsvorschriften sind namentlich zu nennen 
die Allerh. B O. v. 27. XII. 1899 (RBl. S. 1387) und die auf das Verwaltungsstrafverfahren. 
bezügliche MBek. v. 10. XII. 1900. Vgl. im übrigen Glock u. Lehr S. 232 f.
	        
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