Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 78 Erbschafts- und Schenkungssteuer. 193 
auch wenn sich deren mehrere innerhalb des gleichen Ortes befinden, gesondert zur Ver- 
steuerung heranzuziehen. 
Die Festsetzung der Wandergewerbesteuer, gegen welche, ebenso wie gegen die Abweisung 
etwaiger Nachlaßgesuche Berufung an das Finanzministerium, Abteilung für Steuerwesen, 
zulässig ist, erfolgt alljährlich nach einem dem Gesetze beigegebenen Tarife. In dem Tarife wird 
nach der Art, dem räumlichen und zeitlichen Umfang und der mutmaßlichen Einträglichkeit 
des Gewerbebetriebs und nach der Zahl der mitgeführten Hilfspersonen unterschieden. Der 
tarifmäßige Steuersatz beträgt bei Gewerben geringerer Art (z. B. Lumpensammeln, Kessel- 
flicken, Handel mit gewöhnlichen Lebensmitteln) jährlich 2—8 Mk., für alle anderen Hausier- 
gewerbe (z. B. Viehhandel, Anbieten gewerblicher Leistungen wie Dreschen mit Maschinen) 
20 bis 80 Mk., für Detailreisende 15 bis 100 Mk., für Schaustellungen, Musikaufführungen. 
usw. je nach dem künstlerischen oder wissenschaftlichen Interesse 2 bis 30 oder 12 bis 120 Mk., 
kann aber unter bestimmten Voraussetzungen ermäßigt oder hinaufgesetzt werden. Von den 
Wanderlagern wird in Gemeinden bis zu 3000 Einwohnern eine tarifmäßige Steuer von 
80 Mk., für Gemeinden von 3000 bis 10 000 Einwohnern eine solche von 120 und für größere 
Gemeinden eine solche von 150 Mk. erhoben, wovon die Hälfte an die Gemeinde des Betriebs- 
orts fällt 1); der Zeitraum, für welchen die Veranlagung der Steuer erfolgt, umfaßt je sieben 
(oder weniger) aufeinander folgende Tage 2). 
Absichtliche Hinterziehung der Wandergewerbesteuer ist mit Geldstrafe in der Höhe 
des doppelten Betrags der hinterzogenen Steuer, mindestens aber mit einer Strafe von 5 Mk., 
bedroht. Uneinbringliche Geldstrafen können durch das zuständige Amtsgericht in Haftstrafe 
umgewandelt werden. 
*# 78. Erbschafts= und Schenkungssteuer 5). Bis zu dem am 1. Juli 1906 erfolgten 
Inkrafttreten des Reichserbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 war in Hessen auf Grund 
eines Landesgesetzes vom 30. August 1884 (mit Novellen vom 12. August 1899 und vom 
22. Dezember 1900, RBl. 1900 S. 1045) von Erbschaften und Schenkungen bestimmter Art 
eine staatliche Steuer erhoben worden. Zufolge § 60 des Reichserbschaftssteuergesetzes traten 
alle landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Erhebung einer Abgabe von dem Erwerbe von 
Todes wegen sowie von Schenkungen unter Lebenden oder von den über solche Schenkungen 
ausgestellten Urkunden betreffen, außer Kraft. Eine Aufrechterhaltung der einschlägigen. 
Landezsgesetze fand nur insofern statt, als den Bundesstaaten die Erhebung besonderer Abgaben 
im Sinne des § 59 des Reichsgesetzes, sowie die Erhebung von Zuschlägen zur Reichssteuer 
nach Maßgabe des § 58 dieses Gesetzes gestattet wurde. 
Der hessische Staat sah von der Erhebung einer besonderen Steuer im Sinne des vorge- 
nannten § 59 zunächst ab und begnügte sich vorerst mit den Zuschlägen des § 58. Das Gesetz, 
die Erhebung von Zuschlägen zur Reichserbschaftssteuer betreffend, vom 30. März 1907 (Nl. 
S. 251) — mit rückwirkender Kraft vom 1. Juli 1906 — bringt dies in seinem ersten Artikel 
in folgender Weise zum Ausdruck: „Insoweit die in dem Gesetz, die Erbschafts= und Schenkungs- 
steuer betrefsend, vom 22. Dezember 1900 festgesetzten Steuersätze die nach § 10 des Reichs- 
erbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 im einzelnen Falle anzuwendenden Steuersätze 
übersteigen, werden sie als Zuschläge zu der nach den reichsgesetzlichen Bestimmungen ver- 
anlagten Steuer für Landesrechnung weiter erhoben.“ Auf diese Zuschläge finden, was die 
Veranlagung, Erhebung, Beanstandungen, Strafandrohung, Zuständigkeit, Verfahren usw. 
anlangt, die Vorschriften des Reichserbschaftssteuergesetzes Anwendung; soweit es sich um 
Steuerbefreiungen handelt, bleiben daneben aber auch noch die weitergehenden Vorschriften 
des hessischen Rechts in Wirksamkeit /). 
1) Beschränkt sich der Vertauf auf Trödelwaren (gebrauchte Gegenstände), so ermäßigt 
sich der Steuersatz auf die Hälfte. 
2) Siehe Novelle v. 31. III. 1909. 
3) Literatur: Finanzarchiv XVII396, XVIII604, XVIII779, XXIV S64, XXIII669, 798. 
4) Bezüglich der Entstehung des Gesetzes s. LB. 1905/8 II. K., Drucks. 302 (Reg Vorl.), 
432 (Ausschußbericht Dr. Gutfleisch; Prot. 49; I. K. Prot. 10 S. 129 (mündlicher Bericht 
van Calker, Hessen. 13
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.