Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

208 Die Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung der Selbstverwaltungskörper. J 83 
  
  
mehr gemäß Is 58 ff. des letzteren Gesetzes vierzig vom Hundert der Reichszuwachssteuer, 
außerdem im Falle entsprechender ortsstatutarischer Regelung Zuschläge bis zu 100% 
des der Gemeinde zufließenden Betrags, und endlich — beim Vorhandensein der Voraus- 
setzungen des § 60 — während einer bis 1. April 1915 bemessenen Ubergangszeit eine Zuweisung 
aus dem auf das Reich entfallenden Steueranteil in der Höhe des Unterschieds zwischen ihrem 
nunmehrigen Steueranteil und dem von ihnen bisher erzielten jährlichen Durchschnittsertrag. 
ad 3. Die Einführung von indirekten Steuern — wozu zum Teil auch die unter 
Ziff. 2 genannten Abgaben gehören — ist den Stadtgemeinden vorbehaltlich ministerieller 
Genehmigung durch die neue St O. Art. 188, 199 ausdrücklich gestattet worden 1); auch den 
Landgemeinden ist die Erhebung solcher Abgaben nicht grundsätzlich verboten?). 
ad 4. Unter den Begriff der ettwaigen sonstigen Gemeindeeinkünfte“ 
fallen abgesehen von den eine besondere Art von Ausschlägen bildenden Anliegerbeiträgen 
zur Straßenherstellung nach Art. 21 BO. 3) namentlich wohl freiwillige Zuwendungen und 
anderweitige zufällige Einnahmen. 
ad 5. [Gemeindeumlagen“)l. Die Erhebung von direkten Steuern (Gemeinde- 
umlagen) ist den Gemeinden nach dem Gesetze, die Gemeindeumlagen betreffend, vom 8. Juli 
1911 (RBl. S. 1955)) Art. 1 im Zusammenhalt mit St O. 188, LGO. 181 nur gestattet, wenn 
und soweit die oben genannten Gemeindeeinkünfte zur Deckung der Gemeindeausgaben nicht 
ausreichen. Als direkte Gemeindesteuern sind nur zugelassen solche vom Grundbesitz, 
vom Gewerbebetrieb, vom Einkommen und vom Kapitalvermögen 
der Steuerpflichtigen, und zwar müssen diese vier Steuerquellen stets gleichzeitig in 
Anspruch genommen werden. 
a) Grundsteuer. 
Dieser Steuer sind unterworfen die in der Gemeindegemarkung gelegenen Grundstücke 
und Gebäude nebst Zubehör 5), die Fischereirechte, die Rechte auf Ortsbürgernutzungen und 
die dinglichen Rechte an Grundstücken mit Ausnahme der Hypotheken, Grund= und Renten- 
schulden, sowie derjenigen Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstücke oder Gebäude 
verbunden sind. Der Vermögenswert von Jagdrechten ist bei der Bewertung von Grund- 
stücken besonders in Anschlag zu bringen (Art. 2 und 4 Abs. 4). Steuerfreiheit ge- 
nießen die Großherzoglichen Schlösser mit Nebengebäuden und Gärten, das Hoftheater, die 
landständischen Gebäudeanlagen, die fremdstaatlichen Gesandtschaftshotels unter der Voraus- 
setzung der Gegenseitigkeit, die zu bestimmten öffentlichen Zwecken dienenden Grundstücke 
und Gebäude des Staats, der Gemeinden, Kreise, Provinzen, Kirchen, rechtsfähigen Religions- 
gesellschaften, gemeinnützigen Anstalten und Stiftungen, die zu militärischen Zwecken bestimmten 
Grundstücke und Gebäude, die dem öffentlichen Verkehr dienenden Wege, Plätze und Anlagen, 
die Flüsse nebst Leinpfad, die öffentlichen Bäche und öffentlichen künstlichen Gewässer und end- 
lich die landwirtschaftlichen Okonomiegebäude (Art. 3). Als Besteuerungsmaßstab 
dient grundsätzlich der gemeine Wert; dabei ist bezüglich der einzelnen Steuerobjekte 
folgendes zu unterscheiden: c) Als gemeiner Wert von forstwirtschaftlich benutzten 
Grundstücken gilt der 25 fache Betrag des Jahresreinertrags, der bei normaler 
forstmäßiger Wirtschaft von ihnen zu ziehen ist. 3) Beim landwirtschaftlich benutzten Grund- 
besitz muß, sofern der Steuerpflichtige nachweist, daß der nach näherer gesetzlicher Vorschrift 
berechnete Ertragswert um mehr als 5 00 hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, die Be- 
steuerung nach einem Mittelwert vom Ertraas= und gemeinen Wert er- 
1) Siehe Best, StO., zu Art. 188 u. 199. 
2) Siehe B zer Finanzarchiv, Jahrg. 29, B. I, Die Neugestaltung des Gemeinde- 
umlagewesens i. H. S 
3) Siehe Best, en, zu Art. 188. 
4) Vgl. zum Folgenden namentlich Becker, S. 112—167 und Biermer, Die kommu- 
nale Vermögensbesteuerung i. H. u. Nochmals die rb- Kommunalsteuerreform (1905). 
5) Das Gemeindeumlagengesetz von 1911 ist zum erstenmal für das Rechnungsjahr 1913 
anzuwenden. 
6) Die Besteuerung trifft nicht die einzelnen Grundstücke, Is das zusammen- 
gehörige Wirtschaftsganze (s. Becker a. a. O. S. 126).
	        
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