212 Die Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung der Selbstverwaltungskörper. J 83
Während die juristischen Personen des öffentlichen Rechts von der staatlichen wie von
der gemeindlichen Einkommensteuer im allgemeinen frei sind, besteht eine Ausnahme zu-
ungunsten solcher staatseinkommensteuerfreien Eisenbahnunternehmen, die sich
nicht im Eigentum des hessischen Staats befinden oder für Rechnung eines anderen hessischen
Verbandes des öffentlichen Rechts betrieben werden. Sie sind nach näherer Vorschrift des
Gesetzes in denjenigen Gemeinden, in denen sie Personen= oder Güterabfertigungsstellen besitzen,
mit dem Reineinkommen dieser Stellen zur Gemeindeeinkommensteuer heranzuziehen (Art. 54).
e) Gemeinsame Bestimmungen für Grund-, Gewerbe= und
Kapitalsteuer regeln die Zuständigkeit der Veranlagungsbehörden, das Verfahren,
die Vereinbarungen mit anderen Staaten zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und
die Bestrafung einzelner bestimmter Verfehlungen gegen die einschlägigen Vorschriften (Art. 45
bis 48). Die „Allgemeinen Bestimmungen“ beziehen sich namentlich auf die
Steuerverteilung, die Bestimmung der Höhe der Steuerausschläge und die Aufbringung des
Steuerbedarfs, ferner auf das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden in bezug auf Steuer-
befreiungen und Steuererleichterungen zugunsten von Vermögen bis zu 3000 Mk. und be-
stimmter Personenkategorien (elternlose Minderjährige, erwerbsunfähige Personen, in Hessen
wohnhafte nicht erwerbstätige Nichthessen), auf die Zulassung des Verwaltungsstreitverfahrens,
endlich auf die Veranlagungszeit und die Kosten der Veranlagung. Was die Höhe der
Steuerausschläge anlangt, so wird diese alljährlich auf Grund der hierfür von den
Steuerbehörden zu liefernden Unterlagen mit Genehmigung des Ministeriums des Innern
durch die Gemeindevertretung bestimmt. Für je 1 Pfennig der Steuer vom Grundbesitz,
Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen sind mindestens 3, 5 und höchstens 8 Pfennig auf die
Mark staatliche Einkommensteuer auszuschlagen. Soll durch die Festsetzung das im vorher-
gehenden Steuerjahr bestandene Verhältnis zwischen dem Gesamtbetrag der Einkommen-
steuer und dem Gesamtbetrag der drei vorgenannten Steuern zuungunsten der Einkommen-
steuer geändert werden, so kann die Genehmigung des Ministeriums des Innern nicht ohne
Zustimmung des Finanzministeriums erteilt werden (Art. 55—63).
III. Gemeindeanleihen.
Die gesetzlichen Vorschriften über Gemeindeanleihen beschränken sich im wesentlichen
auf den Grundsatz, daß zur Aufnahme von Anleihen regelmäßig die Genehmigung des Kreis-
rats erforderlich ist, und daß alle Ermittlungen, die zur Vorbereitung der Entscheidung dienen,
zu beschleunigen sind 1). Einer Genehmigung bedarf es nicht, insoweit es sich um eine Anleihe
handelt, die zur Schuldentilgung bestimmtt ist, sowie für solche Anleihen, die zur vorübergehenden
Beschaffung von Betriebsmitteln dienen und in demselben Rechnungsjahr wieder zurück-
gezahlt werden, in dem sie aufsgenommen sind (St O. 96; LGO. 960). Gegen die Entschließung
des Kreisrats ist Beschwerde an das Ministerium des Innern zulässig, jedoch kann die Ver-
sagung der Genehmigung nicht im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden. Zur
Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber ist neben dieser Genehmigung auch noch
die Genehmigung des Staatsministeriums erforderlich (BGB. F5 795; AG. z. BGB. Art. 672).
IV. Gemeindevoranschlag und Gemeinderechnung.
Der Voranschlag ist alljährlich vom Bürgermeister nach einem ministeriell genehmigten
Schema für das nächste Rechnungsjahr — 1. April bis 31. März — aufzustellen und muß 1 alle
Einnahmen, sowohl die ständigen bestimmten wie die ständigen unbestimmten und die un-
ständigen; 2. alle Ausgaben, auch solche für unvorhergesehene Fälle; 3. die Deckungsmittel
für die Ausgaben enthalten. Er ist der Gemeindevertretung zur Beratung — in den Stadt-
gemeinden zugleich zur Beschlußfassung — vorzulegen und nach erfolgter Beratung bzw.
Beschlußfassung nach näherer gesetzlicher Vorschrift während einer Woche offen zu legen.
Nach Ablauf der Offenlegungsfrist ist über die etwa erhobenen Einwendungen zu beraten
und zu beschließen und der Voranschlag sodann mit den etwaigen Einwendungen usw. dem
Kreisrat vorzulegen (St O. 167—169:; LGO. 161—163).
1) Nähere Vollzugsvorschriften wurden unterm 30. VIII. 1908 erlassen. Vgl. O. Schwarz
(v. Reitzenstein) in v. Stengel- Fleischmann W. II S. 142.
2) Siehe Best zu St. Art. 96.