214 Die Finanzverwaltung. Die Polizeiverwaltung. 8 85
die Belastung der Kreisgemeinden mit Kreis= bzw. Provinzialabgaben, die Feststellung des
Jahresvoranschlags, die Prüfung der Jahresrechnung, die Festsetzung der Grundsätze der
Vermögensverwaltung und alle sonstigen Maßnahmen der Vermögensverwaltung der Kreise
und Provinzen sind Sache des zuständigen Kreis= bzw. Provinzialtags (KPO. 31, 73).
III. Über die mutmaßlichen Einnahmen und Ausgaben der Kreiskasse wird jeweils für
das nächste Jahr von dem Kreisausschuß ein Voranschlag entworfen, der sodann, wie
erwähnt, von dem Kreistage festgestellt und wie die sonstigen Kreistagsbeschlüsse veröffentlicht
wird. Bei der Vorlage des Voranschlags hat der Ausschuß dem Kreistage über die Ver-
waltung und den Stand der Kreisangelegenheiten zu berichten. Eine Abschrift des Voranschlags
und des Verwaltungsberichts wird dem Ministerium des Innern überreicht. Ausgaben, welche
nicht in dem Voranschlag vorgesehen sind, sowie Krediterweiterungen bedürfen der Ge-
nehmigung des Kreistags. Die Besorgung der Einnahmen und Ausgaben obliegt einem von
dem Kreisausschuß widerruflich ernannten Rechner, welcher der Disziplinargewalt des Kreis-
ausschusses untersteht und von diesem aus Gründen der Verwaltung entlassen werden, in
dringenden Fällen aber auch vom Kreisrate vorläufig suspendiert und durch einen Vikar ersetzt
werden kann. Der Rechner ist den Visitationen des Kreisrats oder dessen Vertreters sowie
eines von dem letzteren bestimmten Kreisausschußmitgliedes und mindestens alle drei Jahre
einer vollständigen Kassenvisitation durch Beamte der Oberrechnungskammer unterworfen.
Die Beitreibung von Außenständen der Kreiskasse erfolgt auf Weisung des Kreisrats
nach den Vorschriften über das Verfahren der Zwangsvollstreckung im Verwaltungsweg.
Ülber Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Vollstreckung betreffen, ent-
scheidet der Kreisausschuß endgültig (KP O. Art. 40, 41). Innerhalb der Bestimmungen des
Voranschlags dekretiert der Kreisrat die einzelnen Posten in Einnahme und Ausgabe. Zur
Kontrollierung der unständigen Einnahmen wird von dem Kreisausschusse ein Mitglied aus
seiner Mitte erwählt (Art. 42). Die Rechnungsstellung obliegt dem Rechner, der die Rechnung
dem Kreisausschusse zur vorläufigen Prüfung und Begutachtung vorzulegen hat; der letztere
legt sie sodann dem Kreistage vor. Die Revision und der Abschluß der Rechnung ist der Ober-
rechnungskammer übertragen (Art. 43).
Sämtliche vorstehende Vorschriften finden gleichmäßige Anwendung auf den Provinzial-
haushalt mit der Maßgabe, daß an die Stelle der genonnten Kreisorgane die entsprechenden
Organe der Provinz zu treten haben (Art. 79).
Drittes Kapitel.
Die Polizeiverwaltung.
§ 85. Begriff, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im allgemeinen.
I. Begriff und Aufgaben der Polizei. Die hessische Gesetzgebung läßt bisher
eine grundsätzliche Abgrenzung des Begriffs und der Aufgaben der Polizei vermissen. Eine
Reihe von Einzelgesetzen, welche die Zwecke und Befugnisse der Polizeibehörden in bestimmten
Richtungen regeln, lassen jedoch erkennen, daß sich der Polizeibegriff nach hessischem Recht
mit demjenigen Begriffe deckt, der zurzeit die Praxis und die Wissenschaft des deutschen Landes-
staatsrechts beherrscht 1). Hiernach ist unter Polizei zu verstehen „die Tätigkeit der inneren
Verwaltung, die sich alls Beschrän kung der persönlichen Freiheitdesein-
zelnen äußert und in der Form von Zwang auftritt“. Von dieser Auffassung des
Polizeibegriffs sind namentlich die Art. 66 K PO. und Art. 129 b St O. beherrscht, welche im
Einklang mit dem bisherigen Recht das polizeiliche Zwangsverfügungsrecht in der Weise ab-
grenzen, daß sie den Kreisrat bzw. den Lokalpolizeibeamten in der Stadtgemeinde ermächtigen:
„gefahrbringende oder rechts= oder ordnungswidrige Zustände innerhalb seiner Zuständigkeit
zu beseitigen und deren Entstehung oder Fortsetzung zu hindern, und die Erfüllung solcher
Verbindlichkeiten des öffentlichen Rechts, für deren zwangsweisen Vollzug ein besonderes
1) Siehe Meyer-Dochow S. 79 f.