220 Die Polizeiverwaltung. 86
Anwendbarkeit natürlich auf diejenigen Fälle beschränkt, wo eine solche Vertretung begrifflich
und tatsächlich überhaupt möglich ist (KPO. Art. 66 II St O. Art. 129 b II Z. 3).
d) Die Anwendung persönlichen Zwangs. Deieses Mittel ist nur statt-
haft, soweit und solange die zu treffenden Maßregeln ohne persönlichen Zwang undurchführbar
sind (Art. 66 IV KPO., 129b II Z. 3 St O.). Besteht die Anwendung des persönlichen
Zwangs in der Vornahme einer „Verhaftung“ (richtiger „polizeilichen Festnahme“, so darf
die Festhaltung, falls sie nicht vom Kreisrate verfügt wurde, die Dauer von 48 Stunden
nicht übersteigen (St O. 129 b II Ziff. 3). (Vgl. auch H. V. 33).
3. Zur Verhütung mißbräuchlicher Anwendung der unter Ziff. 2 b, c und d genannten
Mittel schreibt das Gesetz (KPPO. u. St O. a. a. O.) folgendes vor:
a) der Androhung von Zwangsmaßregeln ist immer eine bestimmte Frist, binnen
deren Gehorsam erwartet wird, beizufügen;
b) dem von einer Zwangsmaßregel Bedrohten bzw. Betroffenen steht die Klage im
Verwaltungsstreitverfahren zu, und zwar: ##) gegen die Androhung
innerhalb einer Notfrist von einer Woche von der Zustellung oder Eröffnung an; 5) gegen eine
zur Ausführunggebrachte Maßrege innerhalb einer Notfrist von einer Woche,
nachdem mit der Ausführung begonnen ist.
Die Klage kann jedoch nur darauf gestützt werden, daß die angegriffene Verfügung oder
die ausgeführte Zwangsmaßregel gesetzwidrig oder unzulässig war. Verwaltungsgericht erster
Instanz ist der Provinzialausschuß, gegen dessen Entscheidung Berufung an den Verwaltungs-
gerichtshof zulässig ist. Die unter #) genannte Klage ist nicht mehr zulässig, wenn ein unter
Androhung zwangsweiser Ausführung durch dritte erlassener Polizeibefehl rechtskräftig ge-
worden ist, bevor mit der Ausführung begonnen wurde. Die Maßregel kann trotz erhobener
Klage zur Ausführung gebracht werden, wenn sie nach dem Ermessen der Polizeibehörde ohne
Nachteil für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben kann, und wenn nicht Einhalt durch den
Provinzialdirektor ausdrücklich verfügt wird.
0) Die Verhängung der angedrohten Geldstrafe ist nicht von der Polizeibehörde selbst,
sondern auf deren Antrag von dem Gericht auszusprechen, „wenn die zureichende Eröffnung
des Polizeibefehls an die zur Bestrafung angezeigte Person und die Übertretung des Polizei-
befehls durch dieselbe erwiesen ist“.
d) Wenn „durch zwangsweise Ausführung einer polizeilichen Verfügung“ — d. h. also
durch die Anwendung der unter Ziff. 2 lit, c und d genannten Mittel — Kosten entstanden
sind, so sind diese nach eingetretener Rechtskraft der Verfügung von der Polizeibehörde fest-
zusetzen. Die Anforderung der festgesetzten Kosten erfolgt durch den Verband, „in dessen Inter-
esse“ die polizeiliche Verfügung ergangen ist, und kann innerhalb einer Notfrist von zwei
Wochen, von der Zustellung an gerechnet, mit Klage im Verwaltungsstreit-
verfahren angefochten werden. Die Entscheidung dieser Klage steht dem Provinzial-
ausschuß in erster und letzter Instanz zu. Die Beitreibung rechtskräftig angeforderter Kosten
erfolgt unter entsprechender Anwendung der Art. 127—130 des VR.
4. Während die polizeilichen Befugnisse der Kreisräte und der Lokalpolizeibeamten
in den Stadtgemeinden in der unter Ziff. 1—3 angegebenen Weise gesetzlich genau geregelt
sind, beschränkt sich die hessische Gesetzgebung hinsichtlich der Abgrenzung der polizeilichen
Zuständigkeit der Landbürgermeister auf folgende, mit dem früheren Rechte (LG.
v. 1874, Art. 53) wörtlich übereinstimmende Vorschrift der Landgemeindeordnung (Art. 128 a):
„Der Bürgermeister hat nach näherer Bestimmung der Gesetze folgende Geschäfte zu be-
sorgen: I. wenn die Handhabung der Lokalpolizei nicht besonderen Großherzoglichen Be-
amten übertragen ist: 1. die Handhabung der Lokalpolizei in dem seitherigen Umfange und
vorbehaltlich der die lokalpolizeilichen Befugnisse des Bürgermeisters näher feststellenden Vor-
schriften des Ministeriums des Innern; (2. „die Verrichtungen eines Hiflsbeamten der ge-
richtlichen Polizei; 3. die Verrichtungen der Polizeianwaltschaft, wo dies das Gesetz vorschreibt").
Der seitherige Umfang" der ortspolizeilichen Befugnisse des Landbürgermeisters ergibt sich —
soweit dies nicht etwa durch entgegenstehende Bestimmungen des Reichs= oder Landesrechts
ausgeschlossen erscheint — in der Hauptsache aus der alten hessischen Gemeindeordnung vom