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wird die Brandversicherungsurkunde ausgefertigt. Diese ist vom Steuerkommissariat in das
Feuewersicherungsbuch (Brandkataster) einzutragen.
2. Trägerder Versicherung ist formell die Brandversicherungsanstalt, materiell
die Gesamtheit der Versicherten. Der Gesamtbedarf der Anstalt zur Deckung aller derselben
obliegenden Leistungen wird nach dem Grundsatze der Gegenseitigkeit von den Mitgliedern
der Anstalt bestritten und alljährlich je für das zunächst vorausgegangene Jahr auf das Um-
lagekapital der versicherten Gebäude ausgeschlagen (Art. 22, 49). Das Umlagekapital bemißt
sich nach dem Versicherungswert zuzüglich eines etwaigen Zuschlags wegen erhöhter Feuer-
gefährlichkeit ). Die Brandversicherungsbeiträge werden wie die direkten Steuern beige-
trieben (Art. 50, 58). «
3. Die Brandentschädigung bemißt sich bis zur Versicherungssumme nach der Schadens-
höhe, wird aber nur insoweit gewährt, als sie zur Wiederherstellung oder zum Neubau des
beschädigten Gebäudes auf der alten Stelle in bauordnungsgemäßer Weise verwendet wird.
In bestimmten Fällen, z. B. bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Brandstiftung von seiten des
Eigentümers und Entstehung von Brandschäden infolge strategischer Anordnungen oder mili-
tärischer Operationen im Kriegsfall, unterbleibt die Ersatzleistung (Art. 22, 31). Die erste-
Schätzung geschieht durch den Brandversicherungsinspektor unter Beiziehung des Beschädigten
und eventuell von Sachverständigen, eine etwaige weitere durch eine bei dem Kreisamt ge-
bildete Berufungskommission; die endgültige Feststellung steht dem Kreisamte zu (Art. 36ff).
4. Die Verwaltung der Brandversicherungsanstalt erfolgt unter Oberleitung des M. d. J.
durch die Großh. Brandversicherungskammer (z. Z. ein Vorsitzender, ein
Rat, Sekretariat, Kanzlei, Kalkulatur, drei Brandversicherungsinspektoren, vier Assistenten
der Brandversicherungsinspektoren). Zu den Beratungen der Brandversicherungskammer
über die allgemeinen Angelegenheiten der Anstalt und über einzelne, ausdrücklich benannte
Gegenstände wird ein von den drei Provinzialausschüssen gewählter, neungliedriger Aus-
schuß von Versicherten zugezogen. Er bildet mit den Räten und dem Vorsitzenden
der Brandversicherungskammer das Plenum dieser Behörde (verweiterte Brand-
versicherungskammer"):?). In jeder Provinz ist ein Brandversicherungsinspektor
angestellt (Art. 61 f.) #).
5. Auf das Verfahren behufs Erkennung der in den Artikeln 69, 70 des hier behandelten
Gesetzes vorgesehenen Strafen finden die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die
Einführung des Verwaltungsstrafbescheides ufw., vom 20. September 1890,
RBl. S. 193, Anwendung /).
II. Die Mobiliarfeuerversicherung. Nach dem Gesetze, die Versicherung
von Mobilien in Feuewersicherungsanstalten betr., vom 25. November 1871, i. d. F. vom
21. Dezember 1901 5) ist die Mobiliarfeuerversicherung den nach Maßgabe des Reichsgesetzes
vom 12. Mai 1901 zugelassenen privaten Versicherungsunternehmungen
überlassen ). Diese stehen jedoch unter staatlicher Aufsicht (kaiserl. Aufsichtsamt
1) Siehe auch M., die einer erhöhten Feuers- und Explosionsgefahr unterliegenden Ge-
bäude betr., v. 4. VI. 1891, RBl. S. 79. ·
2) Siehe Hof= und Staatshandbuch 1912/13 S. 169.
3) Siehe auch unten § 100 unter Feuerlöschwesen. — Hinsichtlich der sehr geringen Ver-
waltungskosten s. die Regierungsmitteilung LV. II 1905/8 Drucks. III Nr. 319.
4) Siehe auch Instruktion für das Verwaltungsstrafverfahren und den Erlaß des VBerwaltungs-
Strafbescheids im Geschäftskreis des Großh. Ministeriums des Innern und der Justiz, vom
16. I. 1892, RBl. S. 37, §§ 53, 54 und Allerh. VO., die Einführung des Verwaltungs-Straf-
bescheids betr., vom 25. VII. 1891, RBl. S. 155, 8 1 Nr. 4.
5) RBl. 1871 S. 438; 1901 S. 749; vgl. auch VO. v. II. XII. 1871 u. v. 21. XI.
1892, ferner bezüglich des Vollzugs des R. über die privaten Versicherungsunternehmungen
v. 12. V. 1901 die bei Glock u. Lehr S. 124 f. allegierten Vorschriften, namentlich die hess.
Bek. v. 17. II. 1902 RBl. S. 61.
6) Im Jahre 1910 waren in Hessen 46 Mobiliarfeuerversicherungsunternehmungen tätig.
Die Zahl der Polizen betrug 261 615, auf 100 Einwohner also 21. Die Gesamtversicherungs-
summe belief sich auf 2 056 495 963, die Zahl der Brandentschädigungsfälle auf 4250 und der
Betrag der gezahlten Entschädigungen auf 639 482 Mark. — Siehe Mitteilungen der
Zentralstelle f. Landesstatistik Nr. 916, mit weiteren Angaben.
van Calker, Hessen. 16