252 Die wirtschaftliche Verwaltung. g 57
I. Wohnungsaufsichtt). Zur Verhütung der aus der mietweisen Benutzung
ungesunder Wohnungen oder ungeeigneter Schlafstellen hervorgehenden Nachteile für Ge-
sundheit und Sittlichkeit sind nachstehende Einrichtungen getroffen: 1. Befugnis der staat-
lichen Gesundheitsbeamten, der Ortspolizeibehörden und der von den letzteren Beauftragten,
die zum Vermieten bestimmten Wohnungen und Schlafsstellen, sowie die von den Arbeit-
gebern ihren Arbeitern zugewiesenen Schlafstellen darauf zu untersuchen, ob aus deren Be-
nutzung zum Wohnen oder Schlafen Nachteile für die Gesundheit oder Sittlichkeit zu besorgen
sind (Art. 1). 2. Polizeiliches Recht der Aufstellung von Normativbestimmungen (Polizei-
verordnungen) in bezug auf den Mindestluftraum, die Benutzungsweise und die anderweitigen
Verhältnisse der genannten Räumlichkeiten (Art. 2, 3). 3. Anzeigepflicht der Vermieter von
Kleinwohnungen (Wohnungen mit drei oder weniger Räumen einschließlich Küche, aber aus-
schließlich solcher Räume, die aftewermietet oder von anderen Personen regelmäßig mitbenutzt
sind), von Keller- und Dachwohnungen bestimmter Beschaffenheit, sowie von Schlasstellen
(Art. 4—6). 4. Recht der Polizei zur Untersagung der Benützung bestimmter Räume oder
zur Anordnung der Beseitigung bestimmter Schadensursachen im Falle von Gesundheits-
oder Sittlichkeitsgefährdung (Art. 7). 5. Anspruch der Unternehmer von Neubauten oder Um-
bauten auf rechtzeitige Bekanntgabe der polizeilichen Anforderungen an die künftigen Miet-
räume (Art. 8). 6. Geregeltes Beschwerdeverfahren gegenüber allen einschlägigen Polizei-
verfügungen (Art. 9). 7. Verhängung von gerichtlichen Geldstrafen bei Ubertretung der ein-
schlägigen Rechtsvorschriften und Polizeiverfügungen (Art. 11—14). 8. Polizeiliche Aus-
weisung der die beanstandeten Räume benutzenden Mieter aus diesen Räumen (Art. 15).
II. Wohnungsfürsorge:?). Zum Zwecke der Beschaffung von Wohnungen für
Minderbemittelte („solche Häuser, bei welchen nach ihrer Raumeinteilung die Abgabe von
Wohnungen mit nicht mehr wie drei Zimmem nebst Küche und Zubehör als Regel vorgesehen
ist“, Art. 1) dienen folgende Mittel: 1. Die Gewährung billiger Baudarlehen
aus der Landeskreditkasse an Gemeinden, welche die Beschaffung solcher Wohnungen
entweder selbst übernehmen oder durch Förderung geeigneter Bauvereine 8) unterstützen. Solche
Darlehen können, abgesehen von der unter Ziff. 2 erwähnten Ausnahme, bis zum vollen Betrag
der Kosten für Geländeerwerb und Bauausführung gewährt werden. Sie bedürfen in der
Regel keiner dinglichen Sicherung; wird diese verlangt, so kann sie auch durch Einräumung
eines Pfandrechts an einer auf die Baugrundstücke eingetragenen Hypothek bestellt werden
(Art. 2). Mit ministerieller Genehmigung kann die Darlehnstilgung in jedem fünften Jahre
zur Deckung größerer Reparaturen auf ein Jahr ausgesetzt werden (Art. 3). Besteht in einer
Gemeinde ein auf andere Weise nicht zu beseitigender Mangel an guten Mietswohnungen
für Minderbemittelte und ist eine Bauvereinigung der im Gesetz genannten Art zum Bau
solcher Wohnungen bereit, so kann die Gemeinde auf Antrag dieses Vereins oder des Landes-
wohnungsinspektors oder auf Ansinnen des Kreisrats im Verwaltungsstreitverfahren ge-
zwungen werden, dem Vereine die erforderlichen Mittel darlehnsweise zu verschaffen. In
der die Gemeinde verpflichtenden Entscheidung sind die erforderlichen Bedingungen fest-
zusetzen, welche die zweckentsprechende Benutzung und Unterhaltung der herzustellenden Woh-
nungen gewährleisten (Art. 5 i. d. F. v. 1908). Erfolgt die Darlehnsaufnahme von seiten
der Gemeinde zugunsten einer derartigen Bauvereinigung, so darf das von der Gemeinde
zu gewährende Darlehen neun Zehntel des vorgenannten Betrages nicht überschreiten; be-
züglich Verzinsung und Tilgung darf die Gemeinde keine höheren Anforderungen stellen,
1) Siehe die allegierten Artikel des Wohnungsaufsichtsgesetzes v. 1893.
2) Siehe die allegierten Artikel des Wohnungsfürsorgegesetzes von 1902 i. d. F. von 1908. —
An Darlehen für Wohnungsfürsorgezwecke wurden bisher ausgegeben von der Landeskredit-
kasse insgesamt 350 000 Mk., von der Landesversicherungsanstalt rund 5 ½ Millionen Mk. (Gefl.
Mitteilung des Großh. Landeswohnungsinspektors Gretzschel. Dieser erklärt die verhältnis-
mäßig geringe Höhe des erstgenannten Betrages damit, daß die Landeskreditkasse nur solche
Häuser beleiht, welche im dauernden Besitze der Gemeinde oder des Bauvereins bleiben.)
3) Hierher gehören nach Art. 5 nur gemeinnützige rechtsfähige Bereinigungen des öffent-
lichen oder privaten Rechts, welche die Erbauung von Wohnungen für Minderbemittelte zur
Aufgabe haben.