Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

268 Die wirtschaftliche Verwaltung. g 103 
  
  
gestellten Körscheins und bezüglich der in das Landesherdbuch oder in eines der Herdbücher 
der landwirtschaftlichen Provinzialvereine eingetragenen Faseltiere durch Genehmigung eines 
Herdbuchauszuges. Die Körkommission besteht aus zwei vom Kreistag gewählten Mitgliedern 
und ebenso vielen Stellvertretern sowie aus dem Kreisveterinärarzt. Mindestens einmal 
jährlich hat eine Hauptkörung stattzufinden. Die Begutachtung hat sich insbesondere darauf 
zu erstrecken, ob die betreffenden Tiere mit Rücksicht auf ihre Körperbeschaffenheit als Zucht- 
tiere geeignet erscheinen, welcher Rasse sie angehören und ob sie für die festgestellte Zucht- 
richtung einer Gemeinde passen. Für die Faseltiere staatlich anerkannter Viehzuchtvereinigungen 
gelten besondere Vorschriften. 
2. Die zur Förderung der Rindviehzucht zur Verfügung gestellten Staatsmittel 
werden nach einem vom Landwirtschaftsrat (Landwirtschaftskammer) entworfenen und von 
der Regierung genehmigten systematischen Grundplane namentlich für folgende Zwecke ver- 
wandt 1): Herdbuchführung 2), Unterstützung von Zuchtvereinen, Provinzial-- und Bezirks- 
schauen, Bullenstationen, Zuchthöfe, An= und Verkauf von Zuchtvieh, Probemelken und 
Milchuntersuchungen, Futterbau, Bereitstellung und Verbesserung von Jungviehweiden, 
Tummelplätzen und Hutweiden. Zum Zppecke der konsequenten Unterstützung bestimmter 
bewährter Zuchtrichtungen ist der hessische Staat, der Provinzialeinteilung folgend, in drei 
Zuchtgebiete eingeteilt, in welchen neben der Reinzucht der drei einheimischen Rinder- 
rassen, des einfarbigen Odenwälder Rotviehs, des Vogelsberger Schlages und des Glan- 
Donnersberger Schlages, die Reinzucht des Simmenthaler Schlages und die Kreuzung der 
einheimischen Schläge mit Simmenthaler Bullen gepflegt wird. — Bei der letzten Viehzählung 
am 1. Dezember 1907 wurden in Hessen 331 384 Rinder, 64 905 Schafe, 384 593 Schweine 
und 132 260 Ziegen gezählt 3). 
II. Pferdezucht. Das vom Staate errichtete Landesgestüt in Darmstadt 
ist eine staatliche Anstalt zur Züchtung und Haltung von Hengsten, welche auf den über das ganze 
Land verteilten Beschälstationen den Pferdehaltern zum Zwecke der Deckung ihrer Stuten 
zur Verfügung gestellt werden. Privatbeschäler werden zum Decken nur nach Fest- 
stellung ihrer Zuchttauglichkeit zugelassen. 
Eine Körordnung im eigentlichen Sinne besteht nicht. Das Ministerium des Innem 
hat jedoch durch Verfügung vom 8. März 1864 eine Kommission (bestehend aus dem Land- 
stallmeister, zwei Medizinalpersonen und zwei Sachverständigen) eingesetzt, welche die zum 
Decken fremder Stuten bestimmten Privathengste auf ihre Zuchttauglichkeit zu untersuchen hat. 
Im übrigen wird der Betrieb der Pferdezucht mit Hilfe des Landstallmeisters durch den Vor- 
stand des Landespferdezuchtvereins geleitet. Dieser sorgt mit Unterstützung der aus dem 
Landstallmeister, dem zuständigen Kreistierarzt und je vier Landwirten bestehenden Kör- 
kommissionen insbesondere für die planmäßige Verfolgung bestimmter, nach Körbezirken 
unterschiedenen Zuchtziele. Alljährlich werden mehrere Hunderte von Stuten angekört; für 
jede Stute wird dem Besitzer ein Deckhengst vorgeschlagen; für jedes vorschriftsgemäß erzielte 
Fohlen wird ein Fohlengeld von 20 Mk. ausbezahlt 1). Die Zahl der Pferde in Hessen belief 
sich am 1. Dezember 1907 auf 61 696 Stück 5). 
1) Siehe Arbeiten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft H. 108, Die öffentl. Maßnahmen 
zur Förderung der Rinderzucht, v. O. Knispel, Berl. 1905, S. 393 ff. — Analoge Bestim- 
mungen bestehen auch in bezug auf Schweinezucht; s. Arb. d. DLG. H. 77, Die öff. Maßnahmen 
zur Förderung der Schweinezucht, v. O. Knispel, Berl. 1903, S. 109ff. 
2) Die Herdbuchführung ist durch die Provinzialvereine nach übereinstimmenden Grund- 
sätzen geregelt. Die Herdbücher bezwecken, jedermann einen leicht zugänglichen sicheren Nach- 
weis über die in dem Herdbuchgebiete gezogenen Tiere nach Abstammung, Standort, Leistungs- 
fähigkeit und Vererbung zu liefern. S. Arbeiten der DL. H. 66: Die Züchtervereinigungen 
i. Deutsch. Reiche, v. O. Knispel, Berl. 1901, S. 192 ff. 
3) Siehe Hal. Bürgerbuch S. 156. 
4) Siehe Arbeiten d. LDG., H. 49: Die Verbreitung der Pferdeschläge in Deutschland usw., 
bearb. v. Knispel, Berl. 1900. — Bezüglich der Ergebnisse des Landesgestüts s. Mit- 
teilungen der Zentralstelle f. Landesstatistik Nr. 906 S. 10 f. 
5) Siehe Hess. Bürger buch S. 156; vgl. auch Mitteilungen d. Zentralstelle f. Landes- 
statistik Nr. 908 „Uber den Viehstand im oberen Vogelsberg und oberen Odenwald“ von Ihne.
	        
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