Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

306 Anhang: Verfassungsurkunde des Großherzogtums Hessen. Art. 6—13 
Nach dem Uebergange gilt wieder der Vorzug des Mannsstammes. 
Die diesen Grundsätzen entsprechenden näheren Bestimmungen werden durch das Haus- 
gesetz festgesetzt, welches insofern einen Bestandtheil der Verfassung bildet ). 
Titel II. 
Von den Domänen. 
Art. 6. Ein Drittheil der sämmtlichen Domänen, nach dem Durchschnitts-Ertrag der 
reinen Einkünfte berechnet, wird, nach der Auswahl des Großherzogs, an den Staat ab- 
gegeben, um, mittelst allmäligen Verkaufs. zur Schuldentilgung verwendet zu werden. 
Art. 7. Die übrigen zwei Drittheile bilden das schuldenfreie unveräußerliche Familien- 
Eigenthum des Großherzoglichen Hauses. 
Die Einkünfte dieses Familienguts, worüber eine besondere Berechnung geführt wird, 
sollen jedoch in dem Budjet aufgeführt und zu den Staatsausgaben verwendet werden, die 
zu den Bedürfnissen des Großherzoglichen Hauses und Hofes erforderlichen Summen sind 
aber darauf vorzugsweise radicirt und. ohne ständische Einwilligung, soll auch von diesem 
Familiengute nichts verhypothecirt werden. 
Art. 8. Bei künftigen Erwerbungen wird, nach den Rechtstiteln des Erwerbs, fest- 
gesetzt werden, ob sie zu dem Staats-- oder dem Familien-Vermögen gehören. 
Art. 9. Das Veräußerungs-Verbot des Art. 7. bezieht sich nicht auf die Staats= und 
Regierungshandlungen mit auswärtigen Staaten. 
Auch sind darunter der Verkauf entbehrlicher Gebäude, der in andern Staaten gelegenen 
Güter und Einkünfte, die Vergleiche zu Beendigung von Rechtsstreitigkeiten, die bloßen 
Austauschungen und die Ablösung des Lehns- und Erbleih-Verbands, der Grundzinsen und 
der Dienste nicht begriffen. 
In allen diesen Fällen wird aber den Ständen eine Berechnung über den Erlöß und 
dessen Wiederverwendung zum Grundstocke vorgelegt werden. 
Art. 10. Unbewegliches Landeseigenthum darf ohne ständische Zustimmung nicht ver- 
dußert, nicht verpfändet, nicht mit dinglichen Gerechtsamen belastet und nicht mit Reallasten 
beschwert werden. 
Dieses Veräußerungsverbot findet jedoch keine Anwendung auf den Verkauf oder Aus- 
tausch überschüssigen Straßengeländes oder überschüssigen Eisenbahngeländes, auf den Ver- 
kauf oder Austausch entbehrlicher Gebäude, auf Abtretung zu Bauplätzen geeigneter Par- 
zellen, deren Verwendung von dem Provinzialausschuß als nothwendig oder angemessen erklärt 
wird, sowie auf die Vergleiche zur Beendigung von Rechtsstreitigkeiten. 
Art. 11. Dem Großherzoge steht das Recht zu, heimgefallene Lehen wieder zu ver- 
leihen ?. « - 
Titel III. 
Bon den allgemeinen Rechten und Pflichten der Hessen. 
Art. 12. Der Genuß aller bürgerlichen Rechte in dem Großherzogthume, sowohl der 
Privatrechte, als der öffentlichen (oder des Staatsbürgerrechts) steht nur Inländern zu. 
Art. 18. Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: 
1. durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter damals Inländer waren; 
1) Die vorstehende Fassung des Art. 5 Abs. 4 W beruht auf dem verfassungsändernden 
Gesetz, die Regentschaft betr., vom 26. März 1902 (RBl. S. 79), Art. 11 Abs. 2. Die ursprüng- 
liche Fassung lautete: „Die diesen Grundsägen gemäßen näheren Bestimmungen, so wie die 
Bestimmungen über die Regentschaft während der Minderjährigkeit, oder anderer Verhinderung 
des Großherzoßs, werden durch das ausgeses festgesetzt. welches in so ferne einen Bestandtheil der 
Verfassung bildet“ (s. RBl. 1820 S. 536). — Die in Aussicht genommenen hausgesetzlichen 
Bestimmungen wurden bisher nicht erlassen. 
2) Die obige Fassung des Art. 10 HV. beruht auf dem Gesetze, die Abänderung des Art. 10 
der Verfassungsurkunde betr., vom 1. August 1878 (Rl. S. 98). Die ursprüngliche Fassung 
lautete: „Eben dieses gilt auch von den zum Staats-Vermögen gehörenden Domänen, wenn, 
nach Abzahlung der Schulden, der Erlöß aus den Veräußerungen nicht mehr zur Schulden- 
tilgungs-Kasse abzuliefern ist“ (s RBl. 1820 S. 537). « 
·3)V1.Gesetz,dieAufhebungdeöLehnsverbandöbetr.,vom2.Mai1849tRBl.S.205). 
Dieses Gefet. welches laut seiner Einleitungsformel „zur Ausführung der in dem § 39 des 
Reichsgesetzes vom 27. Dezember 1848, die Grundrechte des deutschen Volks betreffend, enthaltenen 
Bestimmung, daß aller Lehnsverband aufzuheben ist", erlassen wurde, bestimmt in Art. 1 — 
fermell ohne Anderung der Verfassungsurkunde — „Ver LTehnsverband ist aufgehoben, und 
kehen hkönnen nicht wieder errichtet werden.“
	        
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