914 Anhang: Verfassungsurkunde des Großherzogtums Hessen. Art. 56—62
Als ein solches wird für die Wahlen des Adels betrachtet, wenn der zu wählen de adliche
Grundeigenthümer 300 fl. directe Steuern für eigenthümliches, oder nutznießliches Vermögen
jährlich entrichtet.
Für die übrigen Wahlen wird erfordert, daß der zu wählende 100 fl. directe Steuern
jährlich entrichte, oder als Staatsdiener einen ständigen jährlichen Gehalt von wenigstens
1000 fl. beziehe.
Wenn jedoch in einem Wahl-Bezirke keine 25 Wählbare, welche 100 fl. directe Steuern
entrichten, vorhanden seyn sollten, so soll die Zahl 25 durch die zunächst höchst Besteuerten
in diesem Bezirke, mit Wählbarkeit für das ganze Land, ergänzt werden.]
Art. 56. [An den Wahlen des Adels nehmen alle adliche Grundeigentümer, welche
300 fl. directe Steuern entrichten, und das 30 ste Lebensjahr zurückgelegt haben, Theil.
Mitglieder der ersten Kammer können daran nicht als Wähler Antheil nehmen.)
Art. 57. [Die Ernennung der Abgeordneten der Städte und der Wahldistricte geschieht
durch drey Wahlen.
Die erste Wahl bestimmt die Bevollmächtigten. Von diesen werden die Wahlmänner
und von den letzten die Abgeordneten gewählt.
Zu Wahlmännern wäblbar sind die 60 Höchstbesteuerten in dem Districte wohnenden
Staatsbürger, welche wenigstens 30. Jahr alt sind.
Die Anzahl der für jeden District und für jede Stadt, sie möge einen oder zwey Ab-
geordnete zu ernennen haben, zu wählenden Wahlmänner wird auf 25 festgesetzt.
An keinen der in diesem Artikel bestimmten Wahlen kann ein Mitglied der ersten
Kammer, oder ein bei den Wahlen des Adels Stimmfähiger, oder Wählbarer Antheil nehmen.]
Art. 58. [Ein Mitglied der ersten Kammer kann nicht zur zwenten gewählt werden.])
Art. 59. [Alle Wahlen der Abgeordneten geschehen auf 6 Jahre. Es ist aber nicht
verboten, nach dem Ablaufe dieser Zeitperiode, den Gewählten wieder auf 6 Jahre zu wählen.
Während dieser Zeit findet eine neue Wahl von Abgeordneten für den Rest der 6 Jahre
nur dann Statt:
1. wenn ein Abgeordneter stirbt oder unfähig wird; #
2. wenn ein Gewählter die Wahl ablehnt. Dieses kann er aber nur wegen ärztlich
bescheinigter Krankheit, oder wenn häusliche Verhältnisse, nach dem Zeugnisse der vorgesetzten
Behörde, die persönliche Gegenwart des Gewählten zu Hause wesentlich erfordern. Auch die
Staatsdiener sind an diese Regel gebunden, wenn ihnen nicht der Urlaub versagt wird-
Veränderungen in der Steuerquote, oder dem Dienstverhältnisse während der Dauer
eines Landtags machen für diesen Landtag nicht unfähig, den Fall der Entsetzung vom
Dienste oder der Suspension vom Dienste und Gehalte, oder des Verlustes, oder der Suspension
des Staatsbürgerrechts ausgenommen.
Art. 60. I. Wer als Mitglied der einen oder der andern Kammer auf Landtagen er-
scheinen will, darf nie wegen Verbrechen, oder Vergehen, die nicht blos zur niederen Polizei
gehören, vor Gericht gestanden haben, ohne gänzlich freygesprochen worden zu seyn.“]) #
Art. 61. [Weder in der ersten, noch in der zweiten Kammer darf man sein Stimm-
rett burch einen Stellvertreter ausüben lassen, oder für seine Stimme Instructionen an-
nehmen.
[In dem Falle jedoch, wenn ein Standesherr durch Minderjährigkeit, oder Curatel ab-
gehalten wird, tritt der Agnat, welcher die Vormundschaft, oder Curatel führt, an dessen
Stelle, vorausgesetzt, daß derselbe in jeder Hinsicht als gehörig aqualificirt erscheint. Auch
soll ein Standesherr in solchen Fällen, wo er durch Gründe, welche auch in der zwenten
Kammer entschuldigen, verhindert wäre, wenn die erste Kammer diese Gründe für zugänglich
erkennt, das Recht haben, sich durch den nächsten Agnaten, wenn dieser gehörig qualifccirt ist,
für diesen Landtag vertreten zu lassen. *
Dieses Recht steht, unter denselben Bedingungen, auch dem Senior der Familie der
Freyherrn von Riedesel zu.
Nie darf aber ein solcher Stellvertreter nach Instructionen handeln, und nie, eben so
wenig, wie ein aus eigenem Recht Berechtigter, mehrere Stimmen führen.] 4r“
Art. 62. In beiden Kammern haben die Mitglieder des Geheimen Staats-Ministeriums
und die ernannten Landtags-Kommissarien freien Zutritt ohne Stimmrecht?).
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1) Vgl. folgende ergänzende Bestimmung des Gesetzes, die landständische Geschäftsordnung
betreffend, vom 17. Juni 1874 (RBl. S. 423): ..
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können den Beratungen der Rammern beiwohnen, sich von anderen Beamten begleiten
lassen und nehmen besondere Sihe in der Perlammlung ein. Sie können während der