Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

Art. 63—67 Anhang: Verfassungsurkunde des Großherzogtums Hessen. 315 
  
  
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Art. 68. Der Großherzog allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische 
Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. 
Eine willkührliche Vereinigung der Stände ohne Einberufung, oder nach dem Schlusse, 
der Vertagung, oder Auflösung ist gesetzwidrig und strafbar. 
Art. 64. Der Großherzog wird die Stände alljährlich 1) versammeln. 
am Falle einer Auflösung wird Er binnen 6 Monaten eine neue Ständeversammlung 
berufen. 
Art. 65. In dem Falle einer Auflösung erlöschen alle Rechte aus den bisherigen 
Wahlen, und es müssen für die neu einberufene ständische Versammlung neue Wahlen Statt 
finden. Bei diesen Wahlen sind jedoch auch die früher Gewählten wählbar. 
Art. 66. Die Stände sind nur befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, 
welche die nachfolgenden Artikel zu ihrem Wirkungskreis verweisen. 
Die Überschreitung dieser Befugniß ist eben so zu betrachten, wie eine willkührliche 
Vereinigung. 
Art. 672). Ohne Zustimmung der Stände kann keine direkte oder indirekte Auflage aus- 
geschrieben oder erhoben werden. 
Das Finanzgesetz, das immer auf ein Jahr gegeben wird, soll mit dem Hauptvoranschlage 
der Staats-Einnahmen und -Ausgaben zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt werden. Zwischen 
den Ausschüssen der beiden Kammern findet zunächst vertrauliche Besprechung statt. Jede 
Kammer beschließt hierauf selbständig über den Hauptvoranschlag und das Finanzgesetz. Die 
Erste Kammer legt ihrer Beschlußfassung die ihr mitgeteilten Beschlüsse der Zweiten Kammer 
zugrunde sie ist berechtigt, über die einzelnen Teile des Hauptvoranschlags und des Finanz- 
gesetzes auch gesondert zu beschließen. 
Tritt die Erste Kammer den Beschlüssen der Zweiten Kammer nicht bei, so gelangt das 
Finanzgesetz nebst Hauptvoranschlag an die Zweite Kammer zur nochmaligen Beratung und 
Beschlußfassung über die Punkte, hinsichtlich deren Meinungsverschiedenheit besteht, zurück. 
Soweit die Zweite Kammer bei ihren abweichenden Beschlüssen beharrt, gelangen diese letzt- 
mals an die Erste Kammer. Tritt diese nicht bei, so sind, wenn die Zweite Kammer nicht 
nachträglich den Beschlüssen der Ersten Kammer zustimmt, die noch nicht durch übereinstimmenden 
Beschluß der beiden Kammern erledigten Punkte des Hauptvoranschlags in denselben so ein- 
zustellen, wie sie sich aus der Beschlußsassung der Zweiten Kammer ergeben. Das den Be- 
schlüssen der Zweiten Kammer entsprechende Finanzgesetz gelangt in diesem Falle nochmals 
an die erste Kammer, welche es nur im ganzen annehmen oder ablehnen kann. 
Lehnt die Erste Kammer das Finanzgesetz ab, so ist über dasselbe in einer Versammlung 
der vereinigten Kammern, die unter dem Vorsitze des Präsidenten der Ersten Kammer statt- 
findet, zu beraten und im ganzen abzustimmen. Bei dieser Abstimmung entscheidet die absolute 
Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten der Zweiten 
ammer. 
Erfordert ein Gegenstand einen Gesamtkostenaufwand von mehr als 200 000 Mark, der 
im Wege der Anleihe gedeckt werden soll, so sind die Mittel nicht im Hauptvoranschlage an- 
zufordern, sondern in einer besonderen Gesetzesvorlage der ständischen Beschlußfassung zu 
unterbreiten. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Anforderungen, die gestellt 
Beratung zu jeder Beik, jedoch ohne Unkerbrechung eines anderen Redners, das Work 
verlangen und sind berechtigt, geschriebene Reden abzulesen. ç 
WBimmt ein Pertreter der Regierung nach dem Schlusse der Di#kussion das Work. 
so gilt diese aufs neue für eröffnet. **5'•5 
1) An Stelle des Wortes „alljährlich“ standen ursprünglich die Worte Wwenigstens alle 
drey Jahrerr Die obige Falung beruht auf dem Gesetze, die Abänderung der Art. 64 und 67 
Verfassungsurkunde betreffend, vom 27. Juni 1900 (RBl. S. 44 » 
2) Art. 67 HV. hatte ursprünglich folgenden Wortlaut: „Ohne Zustimmung der Stände 
kann keine directe oder indirecte Auflage ausgeschrieben oder erhoben werden" (Abs. 1). „Das 
Finanzgesetz, welches immer auf 3 Jahre gegeben wird, derd zuerst der 2ten Kammer vorgelegt 
werden, welche darüber, nach einer vorherigen vertraulichen Besprechung mit der ersten Kammer 
durch die Ausschüsse, ihre Beschlüsse zu sasten hat. Die Beschlüsse der 2ten Kammer kann die 
erste nur im Ganzen annehmen oder verwerfen" (Abs. 2). „Geschieht das Letztere, so wird das 
inanzgesetz in einer Versammlung der vereinigten beiden Kammern, unter dem Vorsitze des 
räsidenten der ersten, discutirt und der Beschluß nach absoluter Stimmenmehrheit ge aßt" 
s. 3). Diese ung wurde zunächst durch das zu Art. 64 HV. allegierte Gesetz vom 27. Juni 
1900 in der Weise verändert, daß die Worte „auf drei Jaser im zweiten Absatz durch die 
Worte „auf ein Jahr“ ersetzt wurden. Seine derzeitige Fassung erhielt Art. 67 HV. sodann 
durch das Gesetz, die Abänderung der Art. 67 und 75 der Verfassungsurkunde des Groß- 
herzogtums Hessen betreffend, vom 3. Juni 1911 (RBl. S. 85).
	        
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