26 Die Organisation des Staates. Der Großherzog und das Großherzogliche Haus. 8 13
und von Kaiser und Reich anerkannt und bestätigt wurde 1). Welches Glied, bzw. welche Linie
des Hauses Wettin hiernach eventuell zur Thronfolge berufen wäre, bestimmt sich nicht nach
dem in Art. 5 Abs. 1 HV. fixierten hessischen Thronfolgesystem, welches erstmn ach erfolgtem
Thronübergang für die betreffende Dynastie wirksam wird, sondern nach sächsischem
Hausrecht, bezüglich dessen auf die Darstellung des Staatsrechts der sächsischen Staaten zu
verweisen ist 2).
Weiß S. 215 (ähnlich Gareis S. 57) wendet auf die Berufung der Erbverbrüderten
willkürlicherweise das hessische Thronfolgesystem an, und folgert hieraus, daß, wenn sich in
dem die Erbfolge beanspruchenden Hause mehrere Linien vorfänden, immer wieder der Erst-
geborene der erstgeborenen Linie vorgehen würde. Hiernach käme — wenn wir die bei Weiß
sich findende Verwechslung der beiden Stammlinien richtig stellen — innerhalb des Gesamt-
hauses Sachsen zunächst die erstgeborene, Ernestinische Linie des Hauses Wettin, mit folgender
Reihenfolge der Speziallinien zur Sukzession: a) Sachsen-Weimar-Eisenach, b) Sachsen-
Meiningen-Hildburghausen, g) Sachsen-Altenburg, d) Sachsen-Koburg-Gotha; erst nach dem
Wegfall der Ernestinischen Linie würde die Albertinische Linie, das ist das Königlich sächsische
Haus, zur Thronfolge berufen sein. Im Gegensatz zu Weiß und Gareis geht Cosack
S. 10 f. bei der Beurteilung dieser Frage richtigerweise vom sächsischen Recht aus und erklärt,
da für das Gesamthaus Sachsen kein Vorrecht der Erstgeburt bestehe, so kämen die Häupter
aller jetzt regierenden sächsischen Häuser, also fünf an der Zahl, gleichzeitig in Betracht.
Wie sich unter diesen Umständen die Thronfolge tatsächlich gestalten würde, ist damit allerdings
noch nicht gesagt. Die Konsequenz, welche Cosack aus seiner prinzipiell richtigen Grund-
auffassung zieht, daß nämlich nun eine Zerstückelung Hessens in sechs Teile — Cosack rechnet
auch noch mit einem Sukzessionsrecht Preußens — stattfinden müssse, ist jedenfalls un-
haltbar.
Es ist hier kein Raum, auf die Frage der juristischen Möglichkeit einer Teilung Hessens
nach Maßgabe der Erbverbrüderungsverträge näher einzugehen, zudem liegt der Fall eines
Übergangs der hessischen Thronfolge an das Gesamthaus Sachsen nach Lage der Dinge tat-
sächlich nahezu außerhalb des Bereichs der Möglichkeit. Gleichwohl muß hier wenigstens soviel
hervorgehoben werden, daß eine Teilung Hessens aus dem genannten Anlasse angesichts der
Bestimmung des Art. 3 HV.: „Das Großherzogtum bildet .. ein zu einer und derselben
Verfassung verbundenes Ganze“ rechtlich unzulässig sein würde 3). Wenn Cosack S. 11
bezüglich der Zerstückelung Hessens behauptet: „Die Unteilbarkeit Hessens, die im übrigen
zu Recht besteht, ändert hieran nichts; sie ist eben für diesen Fall von allen zur Verfügung
berechtigten Personen vollgültig aufsgehoben“, so verkennt er, daß über das hessische Staats-
gebiet nur der hessische Staat selbst und dessen verfassungsmäßige Faktoren (und gegebenen-
falls das Deutsche Reich) zu verfügen haben. Das Gleiche gilt gegenüber Rehm (Fürsten-
recht) S. 49 f. Wenn wir uns nicht überhaupt grundsätzlich der Erkenntnis verschließen
wollen, daß der Sieg des konstitutionellen Gedankens eine von der mittelalterlichen Staats-
lehre abweichende Beurteilung des Wesens der Staatsherrschaft bedingt, so drängt sich uns
mit zwingender Notwendigkeit als erste Konsequenz der modernen Staatsauffassung der Ge-
danke auf, daß die Staatsherrschaft heute nicht mehr wie früher als ein Stück Vermögen des
Herrscherhauses angesehen und „gleich einem anderen Vermögensbestandteile unter die erb-
rechtlichen Grundsätze des Privatrechts gestellt““) werden kann. „Wenn der Staat ein in sich
selbst ruhender, unabhängiger Organismus ist“, — führt Löning S. 82 f. in vortrefflicher
Weise aus — „so kann die Ordnung seines Lebens nicht mit unabänderlicher Notwendigkeit
gebunden sein an Bestimmungen, welche getroffen wurden, als es einen Staat im heutigen
Sinne noch gar nicht gab“. „Gebietet.. die Natur des Staates seine Unteilbarkeit, während
Ansprüche, die in früherer Zeit begründet worden, seine Theilung fordern, so werden eben
1) Vgl. die eingehende Darstellung Lönings, besonders S. 12, 22, 33, 45, 51, 57 ff., 69 ff.
2) Siehe namentlich Otto Mayer S. 56 ff.
3) Vgl. oben 87.
4) Vgl. Rehm, ASt. S. 213.