Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 17. 18 Besondere Vorrechte des Großherzogs. Die Rechtsstellung des Großherzogs. 37 
  
§ 17. Besondere Vorrechte des Großherzogs. Außer den unter II und III 
genannten eigentlichen Ehrenrechten und Vermögensrechten stehen dem Großherzog noch 
eine Reihe von Vorrechten gemischten Charakters zu, die sich teils als Ehrenrechte, teils als 
Vorrechte vermögensrechtlicher Natur qualifizieren: 
1. Die Befreiung von Einkommensteuer (s. Gesetz, die allgemeine Einkommensteuer 
betr., vom 12. August 1899, Art. 6 Ziff. 1) 1) und von Vermögenssteuer (s. Gesetz, die Ver- 
mögenssteuer betr., vom 12. August 1899 Art 4 Ziff. 1) 2), sowie von Gemeindeumlagen aus 
Einkommen und Kapitalrente und aus dem großherzoglichen Grundbesitze, soweit derselbe in 
Schlössern und Palästen, nebst den dazu gehörigen Gebäuden, Gärten und Anlagen, und aus 
dem Großherzoglichen Hoftheater besteht (s. Gesetz, die Gemeindeumlagen betr., vom 8. Juli 
1911, RBl. S. 195, Art. 3 Ziff. 1 u. Art. 41 Ziff. 1 (vom Rechnungsjahre 1913 ab in Geltung), 
ferner Gesetz, die Einführung einer Kapitalrentensteuer betr., vom 8. Juli 1884 i. d. F. vom 
10. Juli 1895 Art. 5 Ziff. 1 (RNBl. 1895 S. 133) und Gesetz, die Vollendung des Immobiliar- 
katasters betr., vom 13. April 1824, RBl. S. 223, Art. 2 lit. a.) 3). Eine Befreiung von der 
Zollpflicht bezüglich der für den Hofhalt bestimmten Gegenstände besteht zufolge Art. 15 des 
Zollvereinsvertrags vom 8. Juli 1867 grundsätzlich nicht, jedoch kann eine Rückvergütung 
durch Landesgesetz auf Staatskosten angeordnet werden. 
2. Die Befreiung von Militärlasten (Wehrpflicht, Quartierleistung, Vorspannleistung) 
siehe Reichs-(Bundes-)Gesetz, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienst, vom 9. Nov. 1867 
1 lit. a); Reichsgesetz über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 
13. Febr. 1875/24. Mai 1898 F 3 Ziff. 1, § 4 Abs. 5; Reichsgesetz über die Kriegsleistungen 
vom 13. Juni 1873 5. 25 Ziff. 1). 
3. Die Befreiung von Jagdwaffenpaßzwang und -gebühr 9. 
4. Portofreiheit für Postsendungen (s. Reichs-(Bundes-gesetz, betr. die Portofreiheiten 
im Gebiete des Norddeutschen Bundes vom 5. Juni 1869, BGl. S. 141, § 1), sowie Tele- 
grammgebührenfreiheit (Kaiserl. VO., betr. die gebührenfreie Beförderung von Telegrammen, 
vom 2. Juni 1877, RBl. S. 524 F.1 Ziff. 1). 
z 18. Die Rechtsstellung des Großherzogs als Familienoberhaupt und die 
Sonderrechte der Mitglieder seines Hauses. Die einschlägigen Rechtsregeln ergeben sich 
zum Teil aus der Verfassungsurkunde und sonstigen Landesgesetzen, zum Teil aus der Haus- 
gesetzgebung im Zusammenhalt mit den Vorschriften des gemeinen deutschen Privatfürsten- 
rechts, zum Teil endlich aus der Reichsgesetzgebung (siehe besonders Art. 57 EG. z. BGB.). 
1. Die Familiengewalt des Großherzogs. Das Großherzogliche Haus 
im weiteren Sinnek) umfaßt die Gesamtheit der von dem Gründer der Linie Hessen- 
bei Rehm, F., S. 342 f., welche insbesondere den von Cosack behaupteten dinglichen 
Charakter des Anspruchs auf Zivilliste widerlegen). Zum andern widerspricht der obigen Behaup- 
tung Cosacks auch die ausdrückliche Bestimmung des Art. 70, wonach die Zivilliste „während 
der Dauer der Regierung eines Großherzogs“ ohne Zustimmung der Stände nicht 
erhöht werden kann. Die Regierungszeit des neuen Großherzogs beginnt im Normalfall mit 
dem Augenblicke des Ablebens oder des Rücktrittes seines Vorgängers. Die Zivilliste ist nun- 
mehr neu festzustellen und zwar im Wege einer Verein barung zwischen Landesherrn 
und Ständen. Einer Klage auf Erhöhung der bisherigen Zeidvilliste, d. h. der Zivilliste 
des Regierungsvorgängers, würde jede Substanziierung fehlen, da jene Zivilliste mit dem Weg- 
falle des Forderungsberechtigten überhaupt aufgehört hat, zu existieren; eine Klage auf Er- 
höhung der erst zuverein barenden Ziodilliste wäre ein Nonsens; eine Klage auf Erhöhung 
der vereinbarten Zidvilliste aber wäre zufolge Art. 70 verfassungswidrig. 
1) und 2) Der Großherzog zählt hier, da es sich in diesem Zusammenhang nicht um seine 
Stellung als Familienoberhaupt handelt, unter die „Mitglieder des Großherzoglichen Hauses.“ 
3) Durch Gesetz, die Vermögenssteuer betr., v. 12. August 1899, Art. 1, wurden die Grund- 
und die Kapitalrentensteuer als Staatssteuern aufgehoben. 
4) Dieses Vorrecht des Großherzogs beruht auf Gewohnheitsrecht; die vermögensrechtliche 
Seite des Vorrechts ist zweifellos Nebensache. Vgl. Allerh. BO., d. Jagdwaffenpässe betr. 
v. 30. 6. 1894, RBL. S. 255, 5§ 1 u. 2 lit. a, sowie unten § 105. 
5) Ich schließe mich hiermit der von Rehm FR. S. 96 aufgestellten und überzeugend begrün- 
deten Unterscheidung zwischen einem weiteren und engeren Begriff des landesherrlichen Hauses
	        
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