Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 29 Das Staatsministerium und der Staatsminister. 65 
  
Innern und der Justiz, das der auswärtigen Angelegenheiten und des Großherzoglichen 
Hauses, und das der Finanzen geschaffen. Zu diesen trat auf Grund eines Edikts vom 4. Juli 
gleichen Jahres (RBl. S. 355) als viertes Ministerium noch ein Kriegsministerialdepartement, 
durch welches das bisherige Oberkriegskolleg ersetzt wurde. Für bestimmte Angelegenheiten 
hatten sich sämtliche Ministerien („Ministerialdepartements') zu einem aus den Ministern 
und den in den einzelnen Departements angestellten Geheimen Staatsräten bestehenden 
„Plenum“ zu vereinigen. „Neben dem Ministerio“ wurde ein aus dem Thronfolger, den 
speziell beauftragten Großherzoglichen Prinzen, den Ministern und den Geheimen Staats- 
räten sowie einigen weiteren, hierzu berusenen Mitgliedern bestehender Staatsrat 
gebildet. Dieser hatte als beratendes Kollegium bei der Aufstellung von Gesetzesentwürfen. 
und bei der Vorbereitung von Organisationsänderungen tätig zu werden, und war außerdem 
als entscheidende oberste Behörde in Kompetenzstreitigkeiten zwischen Justiz= und Verwaltungs- 
behörden, in Disziplinarsachen der Ministerialmitglieder und in allen Rekursen gegen Ent- 
scheidungen der Verwaltungsbehörden in Administrativ-Justizsachen bestellt. 
Nachdem im Johre 1848 das Ministerium der Justiz von dem Ministerium des Innern 
abgetrennt worden war, erfolgte durch Verordnung vom 22. August 1874 (RBl. S. 487) aber- 
mals eine Umgestaltung der Ministerialorganisation. Das wesentlichste hieran war die Schaffung 
eines einheitlichen Gesamtministeriums“, welchem die beschlußmäßige Erledigung 
einer Reihe besonders wichtiger Staatsangelegenheiten übertragen wurde. Innerhalb des 
Gesamtministeriums blieben die drei Ministerien des Innern, der Justiz und der Finanzen 
mit ihrem bisherigen, besonderen Wirkungskreise bestehen, während das Ministerium des 
Großherzoglichen Hauses und des Außern als besondere Behörde aufgehoben und zu einem 
Annexum des Präsidiums des Gesamtministeriums gemacht wurde. Das Gesamtministerium 
zeigt die noch heute bestehende, unten geschilderte Zusammensetzung. 
Im Jahre 1875 wurden im Zusammenhang mit der damals vorgenommenen Ein- 
richtung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege der obenerwähnte Staatsrat und der im 
Jahre 1832 geschaffene Administrativjustizhof ausgehoben. Ihre Funktionen gingen teils an 
das Gesamtministerium, teils an das Ministerium des Innern, teils an den neu errichteten 
Verwaltungsgerichtshof über. 
Im Jahre 1879 veranlaßte der Wunsch der Volksvertretung nach einer Vereinfachung 
der Staatsverwaltung eine abermalige Reform, als deren Ergebnis die seither im wesent- 
lichen unverändert gebliebene, unten geschilderte Ministerialorganisation erscheint 1). 
§ 29. Das Staatsministerium und der Staatsminister. I. Das oberste Zentral- 
organ für die gesamte Regierungsführung ist das dem Großherzog unmittelbar untergeordnete 
Staatsministeriume2). Dasselbe setzt sich zusammen aus dem „Staats- 
minister“, welcher Präsident des Staatsministeriums und zugleich Minister des Groß- 
herzoglichen Hauses und des Außern ist, ferner aus den Vorständen und Ministerialräten der 
drei Einzelministerien und aus einem für das Staatsministerium besonders angestellten Rate. 
Die zum Geschäftskreise des Staatsministeriums gehörigen Angelegenheiten unterliegen 
kollegialischer Beratung und Beschlußfassung, hierbei kommt jedoch nur dem Staatsminister 
und den Vorständen der drei Einzelministerien entscheidende Stimme zu, während den übrigen 
Mitgliedern nur beratende Stimme zusteht. Ausnahmsweise kann auch ohne vorgängige 
Plenarberatung ein Beschluß durch die mit entscheidender Stimme versehenen Mitglieder 
des Staatsministeriums gefaßt werden (a. a. O. 87). 
1) Die durch die landesherrl. Verordnung vom 15. III. 1879 (RBl. S. 55) angeordnete 
Vereinigung der Ministerien des Innern und der Justiz wurde durch landesherrl. Verordnung 
vom 1. VIII. 1896 (RBl. S. 101) wieder aufgehoben. Im übrigen vgl. wegen der inzwischen 
brsolgten organisatorischen Anderungen VO. v. 27. IX. 1899 (RBl. S. 615), vom 17. I. 1900 
(RBl. S. 135), vom 30. V. 1900 (RBl. S. 375), und vom 6. V. 1903 (RBl. S. 275). 
2) Verordnung, die Organisation der obersten Staatsbehörde betr., v. 15. III. 1879 (RBl. 
S. 55, i. d. F. der Verordnung gl. Betr. v. 15. XI. 1884 u. v. 1. VIII. 1896 (RBl. S. 95 bzw. 101).— 
Bezüglich der geschichtlichen Entwicklung s. Gessner, Die Ministerverantwortlichkeit nach 
hessischem Staatsrecht, Erlanger Diss., 1898, S. 8 ff., Esselborn, Die Ministerverantwort- 
lichkeit im Großherzogtum Hessen, Gießener Diss., 1902, S. 95 f. 
van Calker, Hessen. 5
	        
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