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Innern und der Justiz, das der auswärtigen Angelegenheiten und des Großherzoglichen
Hauses, und das der Finanzen geschaffen. Zu diesen trat auf Grund eines Edikts vom 4. Juli
gleichen Jahres (RBl. S. 355) als viertes Ministerium noch ein Kriegsministerialdepartement,
durch welches das bisherige Oberkriegskolleg ersetzt wurde. Für bestimmte Angelegenheiten
hatten sich sämtliche Ministerien („Ministerialdepartements') zu einem aus den Ministern
und den in den einzelnen Departements angestellten Geheimen Staatsräten bestehenden
„Plenum“ zu vereinigen. „Neben dem Ministerio“ wurde ein aus dem Thronfolger, den
speziell beauftragten Großherzoglichen Prinzen, den Ministern und den Geheimen Staats-
räten sowie einigen weiteren, hierzu berusenen Mitgliedern bestehender Staatsrat
gebildet. Dieser hatte als beratendes Kollegium bei der Aufstellung von Gesetzesentwürfen.
und bei der Vorbereitung von Organisationsänderungen tätig zu werden, und war außerdem
als entscheidende oberste Behörde in Kompetenzstreitigkeiten zwischen Justiz= und Verwaltungs-
behörden, in Disziplinarsachen der Ministerialmitglieder und in allen Rekursen gegen Ent-
scheidungen der Verwaltungsbehörden in Administrativ-Justizsachen bestellt.
Nachdem im Johre 1848 das Ministerium der Justiz von dem Ministerium des Innern
abgetrennt worden war, erfolgte durch Verordnung vom 22. August 1874 (RBl. S. 487) aber-
mals eine Umgestaltung der Ministerialorganisation. Das wesentlichste hieran war die Schaffung
eines einheitlichen Gesamtministeriums“, welchem die beschlußmäßige Erledigung
einer Reihe besonders wichtiger Staatsangelegenheiten übertragen wurde. Innerhalb des
Gesamtministeriums blieben die drei Ministerien des Innern, der Justiz und der Finanzen
mit ihrem bisherigen, besonderen Wirkungskreise bestehen, während das Ministerium des
Großherzoglichen Hauses und des Außern als besondere Behörde aufgehoben und zu einem
Annexum des Präsidiums des Gesamtministeriums gemacht wurde. Das Gesamtministerium
zeigt die noch heute bestehende, unten geschilderte Zusammensetzung.
Im Jahre 1875 wurden im Zusammenhang mit der damals vorgenommenen Ein-
richtung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege der obenerwähnte Staatsrat und der im
Jahre 1832 geschaffene Administrativjustizhof ausgehoben. Ihre Funktionen gingen teils an
das Gesamtministerium, teils an das Ministerium des Innern, teils an den neu errichteten
Verwaltungsgerichtshof über.
Im Jahre 1879 veranlaßte der Wunsch der Volksvertretung nach einer Vereinfachung
der Staatsverwaltung eine abermalige Reform, als deren Ergebnis die seither im wesent-
lichen unverändert gebliebene, unten geschilderte Ministerialorganisation erscheint 1).
§ 29. Das Staatsministerium und der Staatsminister. I. Das oberste Zentral-
organ für die gesamte Regierungsführung ist das dem Großherzog unmittelbar untergeordnete
Staatsministeriume2). Dasselbe setzt sich zusammen aus dem „Staats-
minister“, welcher Präsident des Staatsministeriums und zugleich Minister des Groß-
herzoglichen Hauses und des Außern ist, ferner aus den Vorständen und Ministerialräten der
drei Einzelministerien und aus einem für das Staatsministerium besonders angestellten Rate.
Die zum Geschäftskreise des Staatsministeriums gehörigen Angelegenheiten unterliegen
kollegialischer Beratung und Beschlußfassung, hierbei kommt jedoch nur dem Staatsminister
und den Vorständen der drei Einzelministerien entscheidende Stimme zu, während den übrigen
Mitgliedern nur beratende Stimme zusteht. Ausnahmsweise kann auch ohne vorgängige
Plenarberatung ein Beschluß durch die mit entscheidender Stimme versehenen Mitglieder
des Staatsministeriums gefaßt werden (a. a. O. 87).
1) Die durch die landesherrl. Verordnung vom 15. III. 1879 (RBl. S. 55) angeordnete
Vereinigung der Ministerien des Innern und der Justiz wurde durch landesherrl. Verordnung
vom 1. VIII. 1896 (RBl. S. 101) wieder aufgehoben. Im übrigen vgl. wegen der inzwischen
brsolgten organisatorischen Anderungen VO. v. 27. IX. 1899 (RBl. S. 615), vom 17. I. 1900
(RBl. S. 135), vom 30. V. 1900 (RBl. S. 375), und vom 6. V. 1903 (RBl. S. 275).
2) Verordnung, die Organisation der obersten Staatsbehörde betr., v. 15. III. 1879 (RBl.
S. 55, i. d. F. der Verordnung gl. Betr. v. 15. XI. 1884 u. v. 1. VIII. 1896 (RBl. S. 95 bzw. 101).—
Bezüglich der geschichtlichen Entwicklung s. Gessner, Die Ministerverantwortlichkeit nach
hessischem Staatsrecht, Erlanger Diss., 1898, S. 8 ff., Esselborn, Die Ministerverantwort-
lichkeit im Großherzogtum Hessen, Gießener Diss., 1902, S. 95 f.
van Calker, Hessen. 5