80 Die Organisation des Staates. Die Staatsbehörden. g 34
die erforderliche Zahl von weiteren „Staatsanwälten“ angestellt. Die Geschäfte der Staats-
anwaltschaft bei den Amtsgerichten werden entweder von den Staatsanwälten bei
den Landgerichten oder von besonders hierzu bestellten Amtsanwälten oder von anderen
hiermit beauftragten „Beamten und Bediensteten“ versehen 1). Als Hilfsbeamte der Staats-
anwaltschaft erscheinen die den Kreisämtern als oberen Polizeibehörden untergeordneten
Lokalpolizeibeamten 2), ferner die Gendarmen 8) und endlich, in den nicht zur Zuständigkeit
der Amtsgerichte bzw. der Schöffengerichte gehörigen Sachen, auch die Amtsanwälte und
die mit deren Funktionen betrauten Beamten 2).
V. Die Organisation der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Mit
der Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit ) sind folgende Behörden und Beamte betraut 5):
1. die Amtsgerichte;
2. die Notare (mit wesentlich beschränkterer Zuständigkeit als die Amtsgerichte);
3. die Ortsgerichte;
4. bis zur vollständigen Anlegung des Grundbuchs die Hypothekenämter)).
Die Notare') sind zum Richteramt befähigte, vom Großherzog auf Lebenszeit er-
nannte öffentliche Beamte, deren Zahl und Amtssitz vom Justizministerium bestimmt wird,
und für deren Geschäftsführung durch Landesrecht bindende Vorschriften aufgestellt sind.
Zu Notaren können auch Rechtsanwälte ernannt werden. Die oberste Ausfsicht über die Notare
steht dem Justizministerium und, in Unterordnung unter dieses, dem örtlich zuständigen Land-
gerichtspräsidenten zu. Die Disziplinargerichtsbarkeit über die Notare wird in unterer Instanz
durch die Disziplinarkammern, in oberer Instanz durch den Disziplinar-
hof geübt. Die ersteren bestehen aus dem örtlich zuständigen Landgerichtspräsidenten als
Vorsitzenden und zwei Notaren, der Disziplinarhof aus dem Oberlandesgerichtspräsidenten
als Vorsitzenden, aus einem Senatspräsidenten oder Rate des Oberlandesgerichts und drei
Notaren; die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft versieht der örtlich zuständige Oberstaats-
anwalt bzw. der Generalstaatsanwalt. — Zur Vertretung der Standesinteressen der Notare,
Erstattung von Berichten und Gutachten an die Justizverwaltung usw. dient die von sämtlichen
Notaren des Großherzogtums aus ihrer Mitte gewählte, aus sechs Mitgliedern und einem
Vorsitzenden bestehende Notarskammer.
Die Ortsgerichtes) dienen als Hilfsbehörden der Justiz. In der
Regel soll in jeder Gemeinde ein Ortsgericht bestehen, jedoch ist es auch möglich, für mehrere
Gemeinden ein gemeinschaftliches Ortsgericht oder für eine Gemeinde mehrere Ortsgerichte
zu errichten. Das Ortsgericht besteht stets aus einem Vorsteher (Ortsgerichtsvorsteher) und
aus mehreren Mitgliedern (Gerichtsmännern), deren Zahl je nach der Größe der Gemeinde
in der Regel zwei bis sechs beträgt, beim Bestehen eines gemeinschaftlichen Ortsgerichts für
mehrere Gemeinden aber auch erhöht werden kann. Der Ortsgerichtsvorsteher (in der Regel
der t Bütgermeister), die Gerichtsmänner und die für jede Gemeinde aufzustellenden Ersatz-
1) In Forstrügesachen können die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft bei dem Amts-
gericht einem Forstbeamten übertragen werden; ebenso kann in einzelnen Sachen dem Amts-
anwalt ein Beamter der Forstverwaltung beigegeben werden (Gesetz, das Verfahren in Forst-
und Feldrügesachen betreffend, i. d. F. d. Bek. v. 21. X. 1904 Art. 4).
2) Siehe StO. Art. 129 a, LO. Art. 128 a.
3) Siehe VO. v. 9. X. 1897.
4) Bezüglich dieses Begriffs s. insbes. Hein zerling Georg, Das Großh. Hessische
Privatrecht, 1904, S. 196 ff., Küchler (Braun u. Weber) 1 S. 219, Laband S. 312f.
5) Siehe Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17. Mai
1898. ist F. d. Bek. v. 20. Mai 1898; AusfG. v. 18. Juli 1899 Art. 11: Heinzerling
S. 205
6n Das letzte heute noch bestehende Hypothekenamt ist dasjenige in Alzey, s. StH# B. 1912/13
197
7) Siehe Gesetz, das Notariat betr., vom 15. III. 1899, RBl. S. 47; vgl. auch Gebühren-
ordnung f. d. Großh. Notare vom 30. XII. 1904, i. d. F. v. 10. hle- 1911, RBl. S. 223.
8) Siehe Verordnung v. 2. VIII. 1899, die Ortsgerichte betr.; Heinzerling S. 223 ff.;
Bek. d. Ministeriums d. Justiz, die Gebühren der Großh. Ortsgerichte betr., vom 28. IX. 1907
(RBl. S. 405, enthält den Gebührentarif), ergänzt d. Bek. v. 21. I. 1911, RBl. S. 12.