84 Die Organisation des Staates. Die Staatsbehörden. l 36
Provinzen kommen als staatliche Verwaltungsbezirke kaum in Betracht und
werden daher in der Regel überhaupt nicht als solche angeführt 1).
I. Ortsgemeindebehörden. In den Ortsgemeinden, soweit diese als lokale,
staatliche Verwaltungsbezirke in Betracht kommen, werden die staatlichen Verwaltungs-
geschäfte in der Hauptsache durch die Bürgermeister bezw. durch die Beigeord-
neten als deren Vertreter besorgt (St O. u. LG#O. Art. 121 Ziff. 1 u. 2; St O. Art. 129a—
129, LGO. Art. 128 a u. 128 b#).
II. Die staatliche Verwaltungsorganisation der Kreise. 1. Der
Kreisrate). An der Spitze der staatlichen Kreisverwaltung steht in jedem Kreise der Kreis-
rat; er ist ein vom Großherzog ernannter, zum höheren Verwaltungsdienst befähigter 3)
Einzelbeamter, dessen Dienststelle die Benennung Kreisamtt") führt. Dem Kreisrate
sind die zu seiner Vertretung und Unterstützung erforderlichen Verwaltungsbeamten und
technischen Beamten untergeordnet; insbesondere ist ihm regelmäßig ein Beamter mit dem
Titel Kreisamtmann zur Beihilfe und zur Stellvertretung in Verhinderungsfällen
beigegeben. Der Kreisrat führt als Organ der Staatsregierung die ihm überwiesenen Ge-
schäfte der allgemeinen Landesverwaltung im Kreise, wozu besonders die Ausübung der
Polizeiverwaltung im Kreise und die Überwachung der Polizeiverwaltung in den einzelnen
Gemeinden und Gemarkungen des Kreises gehört 5). Er wird hierbei teils selbständig
— als bureaumäßig entscheidender Einzelbeamter — tätig, teils
wird er in seiner Tätigkeit bestimmt und begrenzt durch die ge-
wählten Vertretungen der Selbstverwaltungskörper. In seiner
Eigenschaft als Vorsitzender des Kreisausschusses hat der Kreisrat namentlich folgende Auf-
gaben: a) Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs des Ausschusses nebst Fürsorge
für rasche Geschäftserledigung (Art. 52 Abs. 1 n. F., 51 a. F.); b) Berufung des Kreisaus-
schusses und Führung des Vorsitzes mit vollem Stimmrecht (Art. 52 Abs. II n. F., 51 a. F.);
Tc) Führung der laufenden Geschäfte der dem Ausschusse übertragenen Verwaltung, Vor-
bereitung und Ausführung der Ausschußbeschlüsse (Art. 53 Abs. I n. F., 52 a. F.); d) Ver-
tretung des Kreisausschusses nach außen, Führung des Schriftwechsels, Beurkundung von
Rechtsgeschäften des Ausschusses (Art. 53 Abs. III, V, VI n. F., Art. 52 a. F.); e) Erlaß vor-
läufiger Verfügungen namens und vorbehaltlich alsbaldiger Prüfung und Genehmigung des
Ausschusses, jedoch nur in dringenden Fällen, und soweit andere Gesetze dies nicht ausschließen
(Art. 53 Abs. IV n. F., Art. 52 Abs. 3 a. F.)“). — Im übrigen bestimmt sich die Zuständigkeit
des Kreisrats besonders noch nach den beiden Gemeindeordnungen und, soweit die KO. (wie
z. B. in Art. 63 II u. 66 1) auf den früheren Rechtszustand verweist, nach dem Edikt vom
6. Juni 1832 (RBl. S. 365) und nach der Kreisratsinstruktion vom 20. Sept. 1832 (Jl.
S. 609).
2. Der Kreistag'). Der Kreistag ist im wesentlichen kommunales Organ, jedoch
ist er gleichzeitig auch mit der Wahrnehmung bestimmter, auf dem Gebiete der allgemeinen
1) Siehe unten sub III, Ziff. 1.
2) KO. Art. 63 (a. F. 77); sowie Edikt vom 12. Mai 1852; vgl. auch KO. Entw. 1906
Art. 5 ff. S. 116, 117 f.
3) Die Notwendigkeit dieser Vorbildung ergibt sich aus HV. Art. 47 im Zusammenhalte
mit §5 1 der Verordnung, die Vorbereitung für den Staatsdienst im Justiz= und Verwaltungs-
fache betr., v. 30. IV. 1879, i. d. F. v. 6. Okt. 1906.
4) Siehe Min Bek. v. 18. XI. 1852, RBl. S. 540.
5) Vgl. im einzelnen besonders KO. Art. 63 (a. F. 77), 64 (a. F. 78), 65 (a. F. 79),
66 (a. F. 80), 67 (a. F. 81), 52 (a. F. 51), 53 (a. F. 52), 55 (a. F. 53), sowie meine Aus-
führungen über Polizeiverwaltung, unten §§ 85 ff. Vgl. auch Küchler (Braun u. Weber) I
S. 185 ff., II S. 3798 ff.
6) Siehe hierzu Best, KO., Art. 53, Anm. 2.
7) Vgl. hierher zunächst K O. Art. 31 (a. F. ebenso); KO. Entw. 1906 Art. 79 S. 134f.
S. 198f. — In dem vorbezeichneten Entwurf sind der Kreistag und der Kreisausschuß nicht unter
den Kreisbehörden genannt (s. 1. Abschn. Art. 5—11 S. 116 f). Beide Organe zeigen indessen
alle wissenschaftlich feststehenden begrifflichen Merkmale einer Behörde. (Vgl. z. B. Laband
1 S. 365 f., bes. auch S. 367 unter III Ziff. 1). Die Tatsache, daß weder die Mitglieder des