Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

86 Die Organisation des Staates. Die Staatsbehörden. 5 36 
  
vom 21. April 1880, die Disziplinarverhältnisse der nicht richterlichen Staatsbeamten betr. 
(KO. Art. 46). Vorgesetzte Behörde im Sinne des Art. 3 jenes Gesetzes ist der Provinzial- 
ausschuß, vorgesetztes Ministerium im Sinne des Art. 16 a. a. O. ist das Ministerium des 
Innern. Gegen eine erkannte Ordnungsstrafe ist Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof 
zulässig (K O. Art. 46 Abs. 2) 1). 
Der Kreisausschuß wird nach Bedürfnis vom Kreisrat einberufen, ist bei Anwesenheit 
von mindestens fünf Mitgliedern beschlußfähig und beschließt nach Stimmenmehrheit, in ver- 
waltungsrechtlichen Angelegenheiten in öffentlicher, sonst in nichtöffentlicher Sitzung. Seine 
Tätigkeit als staatliches Organ besteht „in der Besorgung von Angelegenheiten der all- 
gemeinen Landesverwaltung, soweit ihm letztere durch Gesetz oder Verordnung 2) übertragen 
sind“ (KO. Art. 44 a. u. n. F.), und umfaßt einerseits die Erledigung reiner Verwaltungs- 
geschäfte, wie z. B. auf dem Gebiete der Kreisstraßenverwaltung und der Verwaltung des 
Landarmenwesens, andrerseits verwaltungsrichterliche Funktionen (Art. 44, 47, 
48 a. u. u. F.) ?). 
III. Die staatliche Verwaltungsorganisation der Provinzen. 
1. Der Provinzialdirektor. Die Einteilung des Staategebiets in Provinzen dient 
weniger den unmittelbaren Zwecken der allgemeinen Landesverwaltung, als vielmehr den- 
jenigen der körperschaftlichen, provinziellen Selbstverwaltung. Die Provinz kommt, wie 
schon oben bemerkt, als staatlicher Verwaltungsbezirk kaum in Betracht und entbehrt daher 
auch im Gegensatz zum Kreise der Leitung eines für alle Angelegenheiten der allgemeinen 
Landesverwaltung präsumptiv zuständigen staatlichen Verwaltungsbeamten. Die leitenden 
Befugnisse des vom Landesherrn als Provinzialdirektor aufgestellten Staats- 
beamten beschränken sich, soweit die allgemeine Landesverwaltung in Frage steht, auf einige 
wenige, ihm ausdrücklich verliehene Einzelzuständigkeiten und finden zumeist in seiner Eigen- 
schaft als Vorsitzender des Provinzialausschusses ihren Grund). Die provinzielle Staats- 
verwaltung wird infolgedessen überhaupt nicht von einem hierfür ausschließlich aufgestellten. 
Beamten, sondern gleichsam nur im Nebenamt von dem Kreisrat der Provinzialhaupt- 
stadt besorgt; die „Provinzialdirektion“ als Amt des Provinzialdirektors ist mit dem „Kreis- 
amt“ als der Dienststelle des Kreisrats personaliter uniert 5). Die wichtigsten, in der genannten 
Richtung liegenden Kompetenzen des Provinzialdirektors sind: die Leitung, Beaufsichtigung 
und Förderung des Geschäftsgangs des Provinzialausschusses, die Berufung des Ausschusses, 
die Vorbereitung und Ausführung seiner Beschlüsse, die Vertretung des Provinzialausschusses 
nach außen (vgl. KO. Art. 93. 99 u. 100 a. F. 85, 86 n. F.)°), endlich — im Einklang mit den 
bisher darüber bestehenden Vorschriften — die einstweilige Inhibierung polizeilicher, im Klage- 
wege angefochtener Zwangsmaßregeln des Kreisrats (KO. Art. 80 Abs. V a. F. 66 Abs. V 
n. F.) und der Erlaß von vorläufigen Verfügungen im Namen des Provinzialausschusses in 
1) Vgl. Entwurf d. KO. 1910, S. —, Best, KO. zu Art. 46. 
2) Hierher gehören auch mancherlei sonstige, als „Regulative“, „Bekanntmachungen“" usw. 
bezeichnete Anordnungen (vgl. Entw. 1906, Begründung S. 200). 
3) Vgl. Küchler (Braun u. Weber) II S. 336 ff. 
4) Siehe KO. Art. 85, 86 n. F., Art. 99, 100 a. F., vgl. auch Art. 2 Ziff. 1 des Edikts 
v. 12. XI. 1860 RBl. S. 341. 
5) Der Entwurf 1906 S. 178, bezeichnet die Vereinigung der Amter des Provinzialdirektors 
und des Kreisrats der Provinzialhauptstadt als „in den bestehenden Gesetzen nirgends begründet, 
sondern rein tatsächlicher Natur.“ Hierzu ist folgendes zu bemerken: Die Provinzialdirektoren 
sind die Rechtsnachfolger der gleichnamigen Beamten des Ediktes v. 6. Nov. 1860 Art. 1 und 
diese wiederum sind aus den Provinzialkommissären der Edikte vom 6. Juni 1832 (Art. 18) und 
vom 4. Febr. 1835 hervorgegangen, deren Amter rechtlich notwendig mit denjenigen 
der Kreisräte in den Provinzialhauptstädten verbunden waren. Diese Personalunion beruhte 
allerdings nicht auf formellem Gesetz, sondern auf einseitiger landesherrlicher Anordnung und konnte 
auf Grund des landesherrlichen Organisationsrechts vorbehaltlich der budgetrechtlichen Befug- 
nisse der Landstände jederzeit wieder ausgehoben werden. Dieser Rechtszustand soll nach dem 
Entwurf von 1906 S. 178 ff. auch fernerhin bestehen bleiben. 
6) Diese Bestimmungen kommen als organisatorische Vorschriften für die allgemeine Landes- 
verwaltung hier natürlich nur insoweit in Betracht, als es sich um Funktionen des Provinzial- 
ausschusses auf dem Gebiete der staatlichen Verwaltung handelt.
	        
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