37 Die Abgrenzung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 87
allen zur Zuständigkeit des Provinzialausschusses gehörenden, nicht aufschiebbaren Angelegen-
heiten, vorbehaltlich der alsbald einzuholenden Beschlußfassung des Provinzialausschusses über
Aufrechterhaltung oder Abänderung dieser Maßregeln (ugl. KO. Art. 86 Abs. IV n. F. mit
den bisherigen speziellen Bestimmungen K.O. Art. 100 Abs. IV a. F.).
2. Der Provinzialtagg. Der Provinzialtag korrespondiert in seiner Stellung
durchaus mit dem Kreistag; val. daher hierüber oben S. 84. Er besteht aus dem Provinzial-
direktor als Vorsitzendem (ohne Stimmrecht) und aus einer nach der Bevölkerungsziffer sich
richtenden Zahl von Provinzialtagsabgeordneten. Die letzteren werden von den Kreistagen
der zur Provinz gehörigen Kreise aus den zu Kreistagsabgeordneten wählbaren Kreisangehörigen
— und zwar je einer auf 10 000 Kreiseinwohner — gewählt. Die Wahl geschieht auf sechs
Jahre; jeweils nach drei Jahren scheidet die Hälfte der Mitglieder aus und wird durch Er-
gänzungswahlen ersetzt (K O. Art. 68, 69 n. F., Art. 82 ff. a. F.). Die Aufgaben des Provinzial-
tags liegen beinahe ausschließlich auf dem Gebiete der Kommunalverwaltung; als staatliches
Verwaltungsorgan wird er hauptsächlich nur beim Vollzuge der Wahlen zum Provinzial-
ausschuß und zu den durch Gesetz für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten
Kommissionen, sowie bei der Erstattung von Gutachten über die ihm zu diesem Behufe von
den Staatsbehörden überwiesenen Angelegenheiten tätig (KO. Art. 74 Ziff. 9 u. 11 n. F.,
Art. 88 a. F.) 2).
3. Der Provinzialausschußs). Der Provinzialausschuß korrespondiert in
seiner organischen Stellung mit dem Kreisausschuß, er ist jedoch in bezug auf die allgemeine
Landesverwaltung, namentlich, was das Gebiet der Polizei anlangt, in seiner Zuständigkeit
beschränkter als dieser. Er besteht aus dem Provinzialdirektor als Vorsitzendem (mit Stimm-
recht) und aus acht weiteren, vom Provinzialtag aus der Zahl der zu Kreistagsabgeordneten
wählbaren Provinzangehörigen gewählten Mitgliedern; hierzu tritt gegebenenfalls noch ein
von der Regierung bestelltes, zum Richteramte befähigtes zehntes Mitglied. Uberdies werden
vom Provinzialtag noch vier Ersatzmänner gewählt, und zwar mindestens zwei hiervon aus
seiner Mitte. Geistliche, Kirchendiener, Elementarlehrer und Angestellte der Kreise sowie
der Provinz können nicht Mitglieder des Provinzialausschusses sein; aktive Staatsbeamte
bedürfen zum Eintritt in denselben der Erlaubnis des vorgesetzten Ministeriums. Die Wahl
geschieht auf drei Jahre; alle drei Jahre scheidet die Hälfte der gewählten Mitglieder und
Ersatzmänner aus und wird durch Ergänzungswahlen ersetz“ (Art. 81, 82 n. F., Art. 95, 96 a. F.).
Der Provinzialausschuß ist als Staatsorgan insbesondere dazu berufen, sein Gutachten
über alle ihm zu diesem Zwecke von den Staatsbehörden überwiesenen Angelegenheiten ab-
zugeben, und ferner die ihm durch Gesetz übertragenen Geschäfte der allgemeinen Landes-
verwaltung zu führen. Diese Geschäfte bestehen namentlich in der erst= oder zweitinstanziellen
Entscheidung bestimmter Beschlußsachen und Verwaltungsstreitsachen 1), und in der Vornahme
bestimmter Wahlen in Steuer- und anderen Staatsangelegenheiten (Art. 83, 84 n. F., val.
auch Art. 97, 98 a. F. u. Best., Anm, zu Art. 83 u. 84).
F. Die Verwaltungsgerichte.
§5 37. Die Abgrenzung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 1. Die Frage nach dem
Begriffe der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder der Verwaltungsrechtspflege ist nicht mit einer
einfachen Formel zu beantworten. Die begriffliche Abgrenzung der Angelegenheiten des
bürgerlichen Rechts von denjenigen des öffentlichen Rechts und die Feststellung
des dem letzteren Begriffe untergeordneten Begriffes der Strafsachen ist für die gesuchte
Definition zwar sehr bedeutsam, aber doch nicht entscheidend. Im allgemeinen ist allerdings
davon auszugehen — und damit ist für die gewünschte Abgrenzung nach der negativen
Seite hin bereits viel gewonnen —, daß das große Gebiet der bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten und der Strafsachen den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist (GVG. F 13) und daher
1) Siehe KO. u. F. Art. 68 ff.
2) Vgl. auch Entwurf 1906 Art. 132 (S. 146).
3) Siehe KO. Art. 80 ff. n. F.
4) Vgl. hierzu unten ## 67, 38 ff.