— 145 —
fünfzehnjährigen Frist unterbrochen oder sistirt wurde. Jedenfalls wird der Lauf der reichsgesetz-
lichen zweijährigen Frist, deren Berechnung hier nach g. 65 Ziffer 4 des Reichsgesetzes in Frage
steht, weil die jetzige Hülfsbedürftigkeit erst im Juni 1872 hervorgetreten ist, nach §. 14 des
aibeesetes durch vorübergehende Unterstützung nicht unterbrochen, sondern nur zum Sttllstande
gebrach
Der Grund, aus welchem der erste Richter die Qualifikation des vor dem 1. Juli 1871
liegenden Aufenthaltes nach älterem Rechte beurtheilt und für diese Zeit bei Berechnung der Frist
von den reichsgesetzlichen Bestimmungen zwar diejenige über die Dauer des Aufenthaltes, aber nicht
die übrigen, insbesondere nicht die Bestimmung des §. 14 cit. zur Anwendung bringt, liegt
offenbar darin, daß er die Rückwirkung des Gesetzes auf das engste Maß beschränken zu müssen
glaubt. Das Bedenken, daß die Uebergangsbestimmung im §. 65 Iifer 4 dem Gesetze rückwirkende
Kraft verleiht, ist bei Berathung desselben (Stenographischer Bericht pag. 987, 1107 Vand II. der
Reichstags-Verhandlungen von 1870) wohlerwogen worden, hat aber nicht gehindert, die No. 4
des §. 65 in ihrer jetzigen Fassung in das Gesetz aufzunehmen. In dieser Fassung schließt die
Bestimmung jedes Zurückgehen auf das ältere Recht in Bezug auf die Art und Weise der Frist-
berechnung unbedingt aus, sowie die Anwendung des älteren Rechts schon im Allgemelnen nach
8. 65 alin. 1 unstaltthaft ist, sobald es sich nicht um Feststellung des Unterstützungswohnsitzes oder
Heimathrechtes für die Zeit vor dem 1. Juli 1871 handelt. Hätte lediglich die Zeitdauer des
neuen Rechtes maßgebend sein sollen, so würde es ausdrücklich auszusprechen gewesen sein, daß
ein vor dem 1. Juli 1871 liegender Aufenthalt, oder eine vor diesem Zeitpunkte begonnene
Abwesenheit nur in Ansatz komme, wenn der Aufenthalt resp. die Abwesenheit den Bedingungen
des älteren Rechtes entspreche. Da dies nicht geschehen, so hat eine ohnehin unnatürliche kombinirte
Anwendung von Bestimmungen des älteren und des neueren Rechtes bei Berechnung der nämlichen
Frist offenbar nicht in der Intention des Gesetzgebers gelegen.
Ist demzufolge einerseits nur ein den Bedingungen des neuen Rechtes entsprechender Auf-
enthalt zur Berücksichtigung geeignet, so müssen andererseits auch die Bestimmungen des NReichs-
gesetzes über Unterbrechung und Nuhen der Frist bei Berechnung derselben zur Anwendung kommen.
Da N. N. beim Eintritte seiner jetzigen Hülfsbedürftigkeit bereits drei Jahre in Altona wohnte,
und während dieses ganzen Aufenthaltes unbestritten über 24 Jahre alt war, so hat er ein Hülfs-
domizil in Altona durch zweijährigen Aufenthalt erworben, sobald man die Zeit, in welcher er im
Jahre 1871 unterstützt wurde (12. Juni bis 1. August), aber nicht auch den vorausgegangenen
unterstützungsfreien Aufenthalt gemäß §. 14 des Reichsgesetzes von der ganzen Zeitdauer in
Abrechnung bringt.
Die gegen den Landarmenverband erhobene Klage war daher als unbegründet abzuweisen und
Kläger zur Tragung der Kosten zu verurtheilen.
5. Kousulat--Wesen.
Seine Majeslät der Kaiser und König haben im Namen des Deutschen Reichs
den Freiherrn von Lindenfels
zum Vize-Konsul des Deutschen Reichs für den Hafen von London
zu ernennen geruht. «