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vom Kläger in der Gegenerklärung nicht bestrittenen und daher nach §. 17 des preußischen Ausf.
Ges. vom 8. März 1871 für zugestanden zu erachtenden Behauptung des Verklagten, so lange er
in Nassenheide wohnte, sich und die Seinigen mit seiner Profession als Schneider redlich ernährt,
ohne eine Armenunterstützung in Anspruch zu nehmen, ist also damals, wenn auch mit der Be-
schränkung auf dieses Gewerbe, arbeits= und erwerbsfähig gewesen. Daß bezüglich seiner bedingten
Arbeitsfähigkeit in seiner eson eine Aenderung eingetreten sei, ist nicht zu vermuthen, hat der
Kläger nicht behauptet, noch weniger bewiesen. Er erbietet sich auch in dieser Instanz nur zur Bei-
bringung eines ärztlichen Attestes dasür, daß N. N. nicht vollständig, sondern nur sehr beschränkt
arbeitsfähig sei, — eine Thatsache, über welche kein Streit obwaltet, die also keines Beweises bedarf,
die aber allein nicht entscheidend Fsbein Kläger selbst will die Hülfsbedürstigkeit des N. N. nur
daraus herleiten, daß ihm in Groß-Nambin niemand eine Wohnung habe vermiethen wollen, und
daß er dort keine Arbeit finde, well er sein Handwerk nicht gründlich verstehe und es an tüchtigen
Schneidern nicht fehle. Allerdings mußte N. N. dadurch, daß in Groß-RNambin niemand weiter an
ihn vermiethen wollte, in der Auslübung seines Gewerbes gehindert und dadurch in Noth gebracht
werden. Diese Obdachlosigkeit des N. N. wurde aber, wie der erste Richter, ohne daß seine An-
nahme vom Kläger in dieser Instanz bekämpft worden wäre, angenommen hat, durch eine Ueber-
einkunft der Groß. Nambiner, ihm Wohnung und Arbeit zu versagen, herbeigeführt, und konnte des-
halb eine Hülfsbedürftigkeit im Sinne des Gesetzes nicht begründen. Nur die auf die Persönlichkein
des N. N. zurückzuführende Unfähigkeit des letzteren eine Wohnung zu bezahlen, würde in Betracht
kommen können. Für die in dieser Richtung vom Kläger aufgestellte Behauptung aber, daß N. N.
sein Handwerk so wenig gründlich verstehe, daß er unter den in Groß-Rambin obwaltenden Ver-
hältnissen sich und die Seinigen nicht damit ernähren könne, hat Kläger keinen Beweis angetreten,
sie kann daher auch keine Berücksichtigung finden. Das Unvermögen des N. N. für sich und die
- Seinigen den nothdürftigen Unterhalt zu erwerben, folgt auch daraus nicht, daß die Gemeinde Groß-
Rambin, wie sie aufstellt, die in Arnhausen für ihn gemiethete Wohnung bisher bezahlt hat. Es
hätte dargethan werden müssen, daß aus gleichem in seiner Persönlichkeit liegenden Grunde, wie in
Groß-Nambin so in Arnhausen, N. N. die Mittel zur Bezahlung der Miethe nicht aufbringen könne.
Wenn Kläger dagegen Beweis darüber antritt, daß die Famille des N. N. halb nackend umher-
geht, und darüber, daß derselben durch die Gutsherrschaft in Groß= Rambin häufig Privatunter=
siützungen haben gewährt werden müssen, um sie vor dem Hungertode zu schügtzen, so sind diese einer
näheren Substanzitrung rücksichtlich der Zeit entbehrenden Beweisanträge unerheblich, da dieselben,
soweit es sich um Thatsachen handelt, welche in die Zelt nach der Exmission des N. N. fallen, nur
die Folgen konstatiren würden, welche trotz der Arbeitsfähigkeit des N. N. eintreten mußten, wenn
die Einwohner von Groß-Rambin sich dahin einigten, ihm kelne Wohnung zu vermiethen, in welcher
er sein Gewerbe ausüben könnte, oder ihm gar die Arbeit zu versagen.
Die Deputation hat sonach mit Recht angenommen, daß der Eintrikt einer Hülfsbedürftigkeit,
wie sie das Gesetz voraussetzt, nicht nachgewiesen sei.
In Sachen Köln gegen Rheinprovinz hatte der Beklagte bestritten, daß einer, im Hospital verpflegten
Geisteskranken ärztliche oder wundärztliche Behandlung zu Theil geworden sei, er hatte sich deshalb geweigert,
das tarifmäßige Pauschquantum zu ersetzen. In erster Instanz war auch die Abweisung des Klägers erfolgt.
Das Vundesamt für das Heimathwesen hat am 22. September 1873 das erste Erkenntniß abgeändert
und zur Begründung Folgendes angeführt:
Wenn nach dem Restkripte vom 3. Juli 1872 der unter pos. 2 des Tarifs vom 21. August
1871 für die nothwendig gewordene ärztliche und wundärztliche Behandlung ausgeworfene Pauschal-
satz von 1 Sgr. täglich insbesondere auch die Kosten der dem Halfsbedürftigen gereichten Arzneien,
Hellmittel u. w. in sich schlleßt, so ist zunächst hervorzuheben, daß beim Mangel einer be-
schränkenden Definition hier unter Heilmitteln alles dasjenige verstanden werden muß, was nach
ärztlicher oder wundärztlicher Bestimmung bei einem Kranken zum Zwecke seiner Wiederherstellung