Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Erster Jahrgang. 1873. (1)

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keine Bestimmungen. Deshalb mußten im Freizügigkeitsgeseze vom 1. November 1867, welches 
(5. 7) das erlafren des Gotha'er Vertrags für Ausweisungen, bei denen verschiedene Bundes- 
staaten betheiligt sind, noch beibehielt, bezüglich der Kosten besondere Festsetzungen getroffen werden. 
Der §. 1 des Reichgesetzes vom 6. Juni 1870 erklärt die desfallsigen Bestimmungen ausdrücklich 
auf Norddeutsche nicht ferner für anwendbar, der klagende Armenverband kann sich daher auf den 
Gotha'er Vertrag nicht berufen.“ 
Das Bundesamt für das Heimathwesen nimmt an, daß der sechswöchentliche Zeitraum, während 
dessen der Ortsarmenverband des Dienstorts einen im Dienst erkrankten Dienstboten u. s. w. ohne Ersatz- 
anspruch verpflegen muß, erst in dem Augenblicke beginnt, wo die Kostenerstattung seitens des Dienstherrn u. 
s. w. aufgehört hat und in Folge dessen die Nothwendigkeit der öffentlichen Fürsorge eingetreten ist. So ent- 
schieden in Sachen des Landarmenverbandes von Alt-Pommern contra den Ortsarmenverband Demmin durch 
Erkenntniß vom 15. Februar 1873, dessen Gründe wie folgt, lauten: 
„„Die unbestritten landarme H. erlitt am 14. August 1871 während ihres Dienstes bei dem Gast- 
wirth H. in Demmin einen Bruch des Unterschenkels und wurde an dem gedachten Tage zur Kur 
in das dortige städtische Krankenhaus aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte Inhalts der Akten 
des Magistrats in Demmin auf Grund des Attestes des Dr. W. vom 14. August 1871, Inhalts 
dessen der Gastwirth H. die Aufnahme seines Dienstmädchens in das Krankenhaus beantragt hatte, 
damit sie dort auf seine Kosten behandelt werde. Unter demselben Tage zeigte die Lazarethverwal= 
tung an, daß die H. auf Kosten des H. in das Krankenhaus aufgenommen sei, und auch die H. 
selbst erklärte bei ihrer demnächst erfolgten Vernehmung, daß ihr Brotherr die Kosten für sie Kaflen 
werde. Erst am 2. Oktober 1871 meldete sich der Gastwirth H. und erklärte zu Protokoll, daß er 
die H. nicht länger auf seine Kosten verpflegen lassen wolle, da ihre Dienstzeit an diesem Tage zu 
Ende gehe. Bis zum 25. September ej. a. hat er auch die aufgelaufenen Kosten berichtigt. 
Hiernach unterliegt es keinem Bedenken, daß die Kur und Verpflegung der H. in dem Kranken- 
hause auf Veranlassung ihres Dienstherrn, und zum mindesten bis zum 25. September 1871 auf 
dessen Kosten stattgefunden hat und daß erst von diesem Zeitpunkte ab die Nothwendigkeit der öffent- 
lichen Fürsorge eingetreten ist. In diesem Moment bestand aber auch das Dienstverhältniß noch 
sort und, da somit die H. während ihres Dienstverhältnisses in einer Weise erkrankt ist, welche ihre 
öffentliche Unterstützung nothwendig erscheinen ließ, so ist Kläger, als der Armenverband des Dienst- 
ortes, nach §. 29 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 nicht berechtigt, von dem verklagten Land- 
armenverbande Erstattung der während der ersten sechs Wochen, also für die Zeit vom 25. September 
bis 5. November 1871, für die H. im Wege der öffentlichen Armenpflege verausgabten Kur= und 
Verpflegungskosten zu fordern. 
Er war daher mit seinem diessälligen Anspruch abzuweisen.“ 
5. Kon sulat Wesen. 
  
Seine Majestät der Kaiser und König haben im Namen des Deutschen Reichs 
den Kaufmann Sebastian B. Schlesinger in Voston 
zum Konsul des Deutschen Reichs 
zu ernennen geruht. 
Der Kaiserlich deutsche General-Konsul von Heinemann zu Stockholm ist von seinem Urlaub auf 
seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen. 
 
	        
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